Eine Ausstellung wie ihr Thema. „Bella Italia“ kommt leicht und leichthin daher, edel im Blau der Wände bei gedämpftem Licht, in dem die wenigen Gemälde hell angestrahlt sind. Mit der linearen Hängung der Fotos und Malereien in der großzügigen Präsentation ist dies die richtige Ausstellung für die Sommerzeit. Vorgestellt wird Italien im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit also, in der neben der Bildungs- und Kulturreise der Erholungsurlaub aufkam. Was wir im Von der Heydt-Museum sehen, ist indes nicht unser heutiger, mithin sentimentaler Blick auf unser liebstes Reiseland, sondern die Wahrnehmung der damaligen Maler und Fotografen. Ausgestellt sind Ansichten von Italien jenseits der armen und vielköpfigen Bevölkerung, der engen, staubigen Gassen, über welchen die Wäsche hängt, und der Fischerei und der Marktstände – dazu gibt es in Wuppertal nur vereinzelte Ansichten. Stattdessen zeigen die Fotografien die prächtig blühende Natur, die antiken Kulturgüter in der Übersicht und das schmuck hergerichtete Städtische – das 19. Jahrhundert erweist sich in dieser Hinsicht als lange und wechselvolle Zeit.
War zunächst noch die Reise aufwändig und beschwerlich, so wurde mit dem Aufkommen organisierter Reiseveranstalter vieles leichter. Zeitgleich entwickelte sich die Technik der Fotografie in rasantem Tempo, die Kamera wurde handlicher und war schließlich auch leichter zu bedienen. Damit aber bildete sich gerade in Italien ein Berufsstand an Fotografen aus, der sich auf Aufnahmen für die Touristen spezialisierte. Begehrte Motive, die als Postkarten reproduziert wurden und von der eigenen Reise berichteten, waren die Baudenkmäler und die weiten, unberührten Landschaften sowie die Stadtpanoramen – dass solche Aufnahmen einen hohen ästhetischen und nun auch dokumentarischen Wert besitzen, belegen in der Wuppertaler Ausstellung etwa die Fotografien von Giorgio Sommer (1834-1914), der aus Frankfurt stammte und ein Fotostudio in Neapel eröffnete, mit dem er äußerst erfolgreich war. Neben seinen „Pflichtaufnahmen“ entstand etwa seine Serie vom Ausbruch des Vesuvs 1872, die sich auf das Wolkenphänomen konzentriert und die Entwicklung zeitlich dokumentiert, weit über jeden Fotojournalismus hinaus.
Feuerbach und Overbeck
Die Ausstellung, die dem klassischen Reiseverlauf von Nord- nach Süditalien folgt und bestimmte Städte, Regionen fokussiert, setzt sich aus den fotografischen Beständen der Sammlungen des Münchner Stadtmuseums und des Sammlers Dietmar Siegert zusammen und wird noch flankiert von einzelnen Gemälden der Spätromantik aus der Sammlung des Von der Heydt-Museums. Dabei werden einzelne Themen und Schwerpunkte herausgearbeitet, etwa die Geographie und die Topographie mit den geologischen Eigenheiten und der landschaftlichen Anlage, das Volkstümliche und Tradierte in der Gesellschaft, das Städtebauliche ebenso wie die Architektur. Vor allem die deutschen Fotografen favorisieren den „attraktiven“ idealisierten Blick. Da sind die fotohistorisch wichtigen Aktaufnahmen von Knaben in antikischer Attitüde, die Wilhelm von Gloeden in Taormina arrangiert hat und die bei ihm auch homoerotisch motiviert waren. Und da sind die beschönigten Fotografien der Ruinen antiker Bauwerke und der schweifende Blick über die Landschaften, in denen mitunter, bei der Auftragsfotografie, die Touristen posieren. Auch tagespolitische Ereignisse, wie der Besuch von Garibaldi bei den Ausgrabungen in Pompeji, oder „Typen“ aus der einheimischen Bevölkerung sind Gegenstand der Fotografie des 19. Jahrhunderts. Die innerstädtischen Baudenkmäler wirken wie am frühen Sonntagmorgen fotografiert, ganz ohne Passanten und mit gereinigten Straßen. Die Architektur wirkt alt, aber nicht beschädigt. Ein gefragtes Motiv war die Kunst selbst, so wurden auch die Laokoon-Gruppe und Giovanni da Bolognas „Raub der Sabinerinnen“ in Florenz als Souvenirs für Touristen fotografiert.
Besonders eindrucksvoll ist in der Ausstellung das vergleichende Nebeneinander von Malerei und Fotografie. Das betrifft die Darstellung der Pinien, gemalt von Oswald Achenbach und fotografiert von Pietro Dovizielli wie auch Robert McPherson, sämtlich um 1850. Oder die „typische“ Italienerin, als Malerei von Anselm Feuerbach und als Tableau kolorierter Aufnahmen der Fotografengemeinschaft Stefano Lais und Antonio Mariannecci, aus der Zeit Mitte der 1860er Jahre. Zu den eindrucksvollen Bildern gehört „Vittoria Caldoni“, Friedrich Overbecks Gemälde eines bäuerlichen Mädchens, das zu den Hauptwerken der Malerei der Nazarener – aus dem Kreis deutscher Künstler, die sich in Rom niedergelassen hatten – gehört. Und auch die „Pergola“ von Hans von Marées ist, so oft sie auch in letzter Zeit gezeigt wird, in der Ausstellung ein Gewinn, ebenso wie die „Italienische Landschaft“ von Carl Rottmann – wobei zu fragen wäre, warum eigentlich so wenige Malereien ausgestellt sind und ob weitere Gemälde nicht auch den Blick der deutschen romantischen Malerei auf Italien vertieft hätten. Also, bei dieser guten, anregenden Ausstellung wäre mehr drin gewesen. Auch was die Laufzeit betrifft, denn sie geht schon allzu bald zu Ende.
„Bella Italia – Fotografien und Gemälde 1815-1900“ I bis 9.9. I Von der Heydt-Museum I www.von-der-heydt-museum.de
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