Seit dem 20.4. läuft nun eine Ausstellungsreihe, in der 22 Künstler aus 10 Ländern im Wuppertaler Kunstkomplex aufeinander treffen. Jeweils zwei Jahre lang war die fünf Meter lange und sechs Tonnen schwere Figura Magica des Beuys-Schüler Bodo Berheide auf allen Kontinenten zu Gast. Heute steht die Skulptur auf dem Vorplatz des Wuppertaler Schauspielhauses. „In den letzten Monaten hat man mich oft gefragt, was aus dem Projekt geworden ist“, stellt Bodo Berheide fest. Die Reise ist noch nicht zu Ende, denn nun kommen Künstler aus den Ländern, die die Figur vorher bereiste, nach Wuppertal.
Im Wuppertaler Kunstkomplex werden nun binnen 100 Tage unterschiedliche Künstler aufeinandertreffen. Dabei ist die Ausstellungsdauer keineswegs zufällig gewählt, denn der Zeitraum hat für den Künstler eine ganz besondere Bedeutung. Sie lehnt sich an eine Aktion des Künstler-Mentors Joseph Beuys an. 1972 betrieb Joseph Beuys für 100 Tage lang ein Büro der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung bei der documenta. Joseph Beuys´ Konzept des erweiterten Kunstbegriffs und der Sozialen Plastik, eine gesellschaftsverändernde Kunst, sollte auch in die Politik umgesetzt werden. Im gleichen Jahr nahm auch Bodo Berheide bei Joseph Beuys ein Studium auf.
Das Eigene muss nicht das Richtige sein
„Viele Bilder werden zu sehen sein, aber es wird nur ein Kunstwerk geben. Die Aktion selbst“, betont Andreas Steffens. Das gegenseitige Kennenlernen, der Austausch mit einer anderen Kultur und die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Kunst stehen dabei im Vordergrund. „Bei der Welt denken die Menschen an die Globalisierung“, sagt er, strengstens genommen gäbe es aber so viele Welten, wie Menschen in ihr leben. Dabei plädiert der Philosoph auch für mehr Offenheit: „Das Eigene muss nicht das Richtige sein. Das Andere nicht das Falsche.“
Die Künstler haben jeweils einen inhaltlichen Bezug zueinander. Während der Ausstellungen stehen sich zwar unterschiedliche Kulturen gegenüber, sie widmen sich aber gemeinsamen Themen wie Heimat oder Philosophie. So entsteht ein vielschichtiges gesellschaftliches Spiegelbild. Die Ausstellung startet mit dem togolesischen Künstler Folly Koumouganh, der auf das Fotografenduo Anja und Holger Schmidt trifft.
Folly Koumouganh zeigt auf seinen Fotografien nicht nur die Schönheiten seines Heimatlandes Togo. Er setzt sich mit den Ritualen auseinander. Körperbemalung, Schmuck und Kleidung sind dabei nicht nur Ausdruck von Persönlichkeit, sondern auch von Glaube. Es gelingt ihm, den "modernen" Menschen einzufangen und mit "alter" Tradition zu vereinen, ohne dabei ins Klischeehafte oder Folkloristische zu entgleiten. Dabei wirft er aber auch einen kritischen Blick auf die Probleme seines Landes.
Hinter die Bilder schauen
Auf bestehende Probleme hinweisen, dass möchten auch Anja Alice und Holger Schmidt. Ihre Fotos waren schon in zahlreichen Ausstellungen und in der Werbung zu sehen. Ob beim Fotografieren ein Einzelbild oder eine ganze Serie entsteht, das entscheidet das Künstlerpaar intuitiv. Ihre Bilder sind provokant und haben einen fast schon morbiden Charme. Ein Foto zeigt einen am Boden liegenden Mann, der sich gerade aufrichtet. Auf dem Hinterkopf trägt er eine blonde Perücke, zwei aufgeklebte Papp-Augen schauen scheinbar ins Leere. „Der Betrachter muss hinter die Bilder schauen können“, erklärt Holger Schmidt.
Auf einer anderen Fotografie ist Holger Schmidt in einer schwarz-roten Korsage seiner Frau und mit halterlosen Strümpfen zu sehen. Anja Alice Schmidt ließ sich dagegen mit einer überdimensionalen Brille in der Wupper ablichten. „Wir fotografieren uns oftmals gegenseitig. Für Andere wäre es einfach schwierig, die gewünschte Stimmung zu erzielen", erklärt Anja Alice Schmidt. Das Künstlerpaar spielt mit Geschlechterstereotypen und möchte diese auflösen. Viele Menschen könnten ihre sexuellen Neigungen nicht ausleben und hätten deshalb Schwierigkeiten im normalen Leben. Ihre Fotografien sollen wach rütteln und zum Nachdenken anregen.
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