Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Foto: W. Sondermann

Kultur von allen, für alle

29. September 2021

Utopiastadt im Wuppertaler Quartier Mirke – Teil 1: Lokale Initiativen

Die vielbeschworenen Begriffe des Dialogs und der Teilhabe liegen denjenigen, die sich in Zeiten von politischer Spaltung und zunehmendem Rechtsdruck endlich mehr gesellschaftlichen Konsens und Zusammenhalt wünschen, schon lange bleiern im Magen. Viele halten sie für eine unabdingbare Bedingung, um Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus entgegenzuwirken, doch nur die wenigsten haben konkrete Ansätze, um sie in die Praxis umzusetzen.

Passend zu den Schwierigkeiten, die der Wunsch nach mehr Dialog und gesellschaftlicher Teilhabe bereitet, nennt sich der Wuppertaler Ort, der genau dies zum Ziel hat, Utopiastadt. Das Gebäude des Bahnhofs Wuppertal-Mirke aus dem späten 19. Jahrhundert wird seit nunmehr zehn Jahren als soziokulturelles Zentrum und öffentlicher Ort für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Projekte genutzt. Über 200 Ehrenamtler:innen engagieren sich hier – sei es im Foodsharing, beim Urban Gardening, beim kostenlosen Fahrradverleih oder bei der Renovierung der ehemaligen Gepäckabfertigung des Bahnhofsgebäudes. So auch Eberhard und Richie, die hier beide jeden Samstag renovieren und auch sonst viel Zeit in Utopiastadt verbringen.

Was genau macht diesen Ort zu einem Ort der Teilhabe? Eberhard weißt darauf hin, dass Utopiastadt einer der wenigen öffentlichen Orte in Wuppertal ist, an denen man sich begegnen und etwas unternehmen kann, ohne gezwungen zu sein, etwas zu konsumieren. Einkaufszentren, Freizeitparks, Cafés, Zoos, Kinos – fast überall entscheidet der Kontostand über den Zutritt. In Utopiastadt gibt es nicht nur schöne Möglichkeiten, sich direkt an der Nordbahn-Fahrradtrasse aufzuhalten, sondern es gibt auch Bildung und Kultur kostenlos – also überhaupt erst einmal einen niederschwelligen Zugang zu verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und die Möglichkeit neue Leute kennenzulernen. Und so geschieht der Dialog hier nicht einfach bloß durch Diskussion, sondern vor allem über die Praxis. Darüber, dass man etwas miteinander tut, sei es Fahrräder zu reparieren, Essen zu retten, Tomaten zu pflanzen oder alte Wände einzureißen.

Doch ganz so einfach sei das alles dann doch wieder nicht, sagt Richie. Es genüge nicht, bloß eine Einladung an diejenigen auszusprechen, die sich Kultur und Bildung sonst finanziell nicht leisten können. Zum einen seien häufig Schamgrenzen zu überwinden, zum anderen verlange ehrenamtliche Mitarbeit auch immer Zeitressourcen, die viele nicht aufbringen können. Zudem falle es der überwiegend nicht-migrantischen Utopia-Gemeinschaft schwer, migrantische Communities zu erreichen. Doch wenn es ganz gezielte und regelmäßige Anlässe gebe, gelänge es auch immer wieder, Menschen außerhalb der Utopiastadt-„Blase“ zu erreichen.

Schon allein durch die Auswirkungen auf den Stadtteil Mirke und die breite gesellschaftliche Teilhabe, die Utopiastadt ermöglicht, empfinden Eberhard und Richie ihr Engagement als sehr politisch. Probleme mit dem politisch rechten Lager gebe es dabei eher selten. Die Mirke sei ein Viertel, in dem man als Nazi lieber nicht lebe.


DEUTSCHLAND OHNE GRÖSSENWAHN - Aktiv im Thema

abruesten.jetzt | Bündnis und Petitionsaufruf gegen Krieg und Militarisierung, wendet sich u.a. gegen eine Erhöhung der Rüstungsausgaben Deutschlands. Mit Beteiligten u.a. aus Politik, Kunst und Wissenschaft.
forumzfd.de | Das Forum Ziviler Friedensdienst mit Sitz in Köln entsendet weltweit zivile Fachkräfte zur Konfliktbearbeitung und kooperiert insbesondere mit der lokalen Zivilgesellschaft.
ramstein-kampagne.eu | Kampagne gegen den US-Militär-Stützpunkt Ramstein bei Kaiserslautern, die insbesondere die Rolle des Stützpunkts für die Nato-Kriegsführung problematisiert.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de

Elena Ubrig

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

Macht ja, Verantwortung nein
Intro – Deutschland ohne Größenwahn

Ran an den<s>Feind</s>Frieden!
Vom Zweifel und von der Macht der Sprache – Teil 1: Leitartikel

„Deutschland ist gespalten“
Die Sozialpsychologin Beate Küpper über gesellschaftliche Ausgrenzung und Aggression – Teil 1: Interview

Nazi-Kontinuum BRD
Der Begriff „Stunde Null“ kaschiert den nicht vollzogenen Bruch mit der NS-Zeit – Teil 2: Leitartikel

„Ein Genozid vor dem Genozid“
Historiker Jürgen Zimmerer über Deutschlands Aufarbeitung der NS-Diktatur – Teil 2: Interview

Für den Frieden kämpfen
Die Deutsche Friedensgesellschaft setzt auf Gewaltlosigkeit und weltweite Gerechtigkeit – Teil 2: Lokale Initiativen

Alles bei(m) Alten
Generationenkonflikt in Zeiten globaler Krisen – Teil 3: Leitartikel

„Zur Lösung braucht es auch die ältere Generation“
Der Kultursoziologe Clemens Albrecht über den Generationenkonflikt in Deutschland – Teil 3: Interview

Wem gehört die Zukunft?
Die Fridays-for-Future-Ortsgruppe in Essen – Teil 3: Lokale Initiativen

Neue Geschichten, alte Schatten
Die Niederlande wagen den kritischen Blick auf die blinden Flecken ihrer kolonialen Vergangenheit – Europa-Vorbild: Niederlande

Teutonisches Kopfnicken
Auf der Suche nach einer Identität zwischen Verbrechen und Klischees – Glosse

Lokale Initiativen

Hier erscheint die Aufforderung!