Europa liebt höchstverschieden: In Litauen leben die meisten Alleinerziehenden. Deutsche heiraten lieber als Franzosen. Und über die Hälfte der Menschen in Großbritannien sind Singles. Viele davon unfreiwillig. Da wundert es kaum, dass ein muffelnder Dating-Trend aus den USA dort schnell Fuß fassen konnte: Das Smell Dating.
Der Stoff ist zusammengeknüllt und klamm von Schweiß. Eine junge Frau hält ein T-Shirt fest in beiden Händen, vergräbt ihre Nase in dem verschwitzten Stück Stoff und saugt den daraus hervor dringenden Dunst tief in die Nase. Beim Smell Dating lassen Singles ihre Nasen entscheiden, welcher Partner zu ihnen passt. Drei Tage und drei Nächte haben die Teilnehmer dasselbe T-Shirt getragen, ohne es zu waschen und ohne Deo zu benutzen. In dieser Zeit hat sich das Konzentrat ihres Körpergeruchs in den Textilfasern verfangen. Im Internet beschreibt die junge Frau ihre Eindrücke: Ein T-Shirt riecht nach saurer Milch, eines nach Kippen und Kinderkaugummi, und ein anders überraschend anziehend – trotz des Schweißgeruchs.
Umgerechnet etwa 25 Euro müssen schnüffelwütige Singles für einen Schwung verschwitzter und geruchsdicht in Plastikbeutel verpackter T-Shirts auf die Theke legen. Namen, Geschlecht und Alter des T-Shirt-Trägers verraten die Anbieter nicht. Wenn der Geruch gefällt, erhält die Teilnehmerin die Kontaktdaten des Trägers. In Großbritannien sind die ungewaschenen T-Shirts seit Jahren im Einsatz, wenn einsame Menschen jemanden suchen, den sie wirklich riechen können.
Auf seiner Website erklärt der Anbieter das Prinzip dahinter: Unsere Nase sei einer der Hauptentscheider, wenn wir auf der Suche dem richtigen Partner sind. Denn lange bevor Smell Dating ein serienreifer Kassenschlager wurde, ließ der Schweizer Forscher Claus Wedekind bereits junge Frauen an verschwitzten T-Shirts schnüffeln. Dabei zeigte sich, dass sie während der fruchtbaren Tage den Körpergeruch von Männern bevorzugten, die sich genetisch stark von ihnen unterscheiden. In dieser Zeit ziehen sich Gegensetze tatsächlich an. Während einer Schwangerschaft oder wenn Frauen hormonell verhüten, sind es jedoch eher Gleich und Gleich, die sich gern gesellen. Die Studie zeigt: Unsere Hormone können uns bei der Partnerwahl ganz schön an der Nase herumführen. Entsprechend gemischt sind die Gefühle, die das Smell Dating bei den Teilnehmern hervorruft. Im Internet berichten einige, dass sie durch das Schnüffeln sehr interessante Menschen kennengelernt haben. Überraschenderweise fanden die meisten Teilnehmer jedoch eher die Persönlichkeiten am interessantesten, deren Geruch sie mäßig angezogen hat. Die Erfahrungsberichte zeigen: Liebe geht wohl doch nicht nur durch die Nase. Auch wenn die Erfahrungsberichte nahezu durchweg positiv ausfallen, sollten sich einsame Briten nicht ausschließlich auf den richtigen Riecher verlassen. Denn Liebe ist mehr als nur ein schöner Geruch.
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zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
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