Die oft rätselhaft wirkenden pandemischen Auflagen unserer Zeit betreffen das Publikum, viel nachhaltiger aber die Akteure auf der Bühne. So galt angeblich für das Bühnenpersonal die Regel: Küssen erlaubt, aber eine Flasche anreichen untersagt. Eine wirksame Waffe, um dem Wahnsinn zu entfliehen, bietet sich dem Musiktheater: Bringen wir die Oper auf die Konzertbühne. Genau dies geschieht in diesem Monat mehrfach in der Kölner Philharmonie.
Wie fantastisch und intensiv ein solches Unternehmen gelingen kann, zeigte sich beim Besuch des Bayreuther Festspielorchesters, einer ersten Reise-Tournee mit dem ersten Aufzug der Walküre aus dem „Ring der Nibelungen“ – eine Wucht, das aus dem Graben befreite, riesige Orchester und die mächtigen Wagnerstimmen am Bühnenrand konzertant zu erleben.
Ähnlich mythisch wie in Wagners Sagenwelt geht es in Maeterlincks Drama „Pelléas et Mélisande“ (17.10.) zu, das Claude Debussy zu einer Oper gestaltete. „Es ist eine Musik, in der die Farbe extrem präsent ist“, sagte François-Xavier Roth zu diesem Lieblingsstück. Der französische Gürzenich-Kapellmeister bringt diesmal das von ihm gegründete Orchester „Les Siècles“ aus seiner Heimat mit, ein Ensemble mit Originalinstrumenten der Zeit. Es muss nicht immer wirklich „alte“ Musik sein, das Stück stammt ja aus dem 20. Jahrhundert.
In der Oper am Gänsemarkt in Hamburg ragen nur die langen Giraffenhalslauten aus dem Graben, wenn wirklich Alte Musik aufgeführt wird. Georg Philipp Telemann, in seiner Zeit der beliebteste Komponist in Deutschland und Stadtmusikdirektor der Hansestadt, hat viele Werke für dieses Haus geschrieben. Erst 1978 wurde sein „Orpheus“ wiederentdeckt, Mitte der Neunziger vom ehemaligen Countertenor und heutigen Dirigenten René Jacobs in Berlin aufgeführt. Mit dem belgischen B´Rock Orchestra und einer ganzen Riege erstklassiger Barockstimmen musiziert er den Plot jetzt philharmonisch (25.10.).
Stardirigent Sylvain Cambreling präsentiert ein ganz aktuelles frisches Werk des italienischen Komponisten Francesco Filidei, der Texte von Dante Alighieri und Edgar Allen Poe verquickt: Stützen der Gesellschaft versuchen sich vor einer grassierenden Seuche in Sicherheit zu bringen – ein Opernstoff mit Opernbesetzung, im Konzertsaal ein Oratorium: The Red Death (21.10.)!
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Doppelgala im Konzerthaus
Festival Klangvokal in Dortmund – Klassik an der Ruhr 05/22
Oper trifft Rap
Campione und Wegener im Ada
Shakespeare trifft auf Berlioz
„Béatrice et Bénédict“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/22
Sympathy for the Devil
„Der Meister und Margarita“ an der Oper Köln – Oper in NRW 04/22
Eine Oper für Napoleon
„Fernand Cortez oder Die Eroberung von Mexiko“ in Dortmund – Oper in NRW 04/22
Der Venusberg im Hinterhof
Nuran Davis Caliș inszeniert Wagners „Tannhäuser“ in Wuppertal – Oper in NRW 03/22
„Ich habe keine Fehde mit Wagner“
Regisseur Nuran David Caliș über die große Nähe der Oper zum Kino – Premiere 03/22
Komponistin im Zeitenfluss
Isabel Mundry im WDR Funkhaus – Klassik am Rhein 05/22
Moderne Klassiker
Filmmusik in Dortmund, Essen und Köln – Klassik an der Ruhr 04/22
Ein Meister der Tasten
Maurizio Pollini spielt Beethoven in Köln – Klassik am Rhein 04/22
Eine Britin erobert Europa
Saxophonistin Jess Gillam im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/22
Haydns Schöpfung zum Mitsingen
Simon Halsey in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/22
Sonderbar bis ungewöhnlich
Der Februar in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 02/22
Weltstar aus Weimar
Matthias Goerne in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 02/22
Späte Werke früh im Jahr
Köln erlebt den Prager Mozart – Klassik am Rhein 01/22
Frische Töne in Dortmund
Das Zeitinsel-Festival präsentiert Ondrej Adámek – Klassik an der Ruhr 01/22
Rheingold-Rausch
„Ring des Nibelungen“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/21
Abgefackelte Wackelkontakte
„NOW!“-Festival der Theater und Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 11/21
Durchweg sanfte Stimmung
Auftakt zur Chorsaison der BoSys – Klassik an der Ruhr 10/21
Der Bürger als Flötenmann
Kölner Bürgerorchester in der Philharmonie – Klassik am Rhein 09/21
Virtuose Interpreten
Lucas und Arthur Jussen beim Klavier-Festival Ruhr – Klassik an der Ruhr 09/21
Geballte Power
Musikalischer Neustart in Köln – Klassik am Rhein 08/21
Ein Fest mit vier Hörnern
50 Jahre Landesjugendorchester NRW – Klassik an der Ruhr 04/20
Brücken zu den Sternen
Das Festival Acht Brücken belauscht den Kosmos – Klassik am Rhein 04/20