Die Finnen haben es erfunden, Wuppertal macht zum achten Mal mit: beim internationalen Restaurant Day. Was als Protest gegen die Bürokratisierung des Gastronomiegewerbes begann, ist vor allem auch eine ganz andere und leckere Möglichkeit, die Nachbarschaft im eigenen Viertel kennenzulernern. Zumindest in Wuppertal war das am Samstag am Arrenberg und in Cronenberg möglich, mit insgesamt 28 ganz verschiedenartigen Stationen.
Zwar machten auch Gastro-Lokale mit, das wirklich Spannende waren aber die Wohnzimmer-Restaurants oder Kulinarisches an Lokalitäten, die sonst anderen Zwecken dienen: Zum Beispiel russische Küche mit Pelemi, Pirozhki und Plov im liebevoll dekorierten Wohnzimmer der Mädels-WG in der Riemenstraße, sogar inklusive musikalischer Begleitung mit Gitarre und Gesang. Oder herzhafte und süße Pfannkuchen im Hinterhof von Celvin, Felix und ihren Freunden in der Benzstraße. Arabischer Kaffee, Sahlab und Hubub im „Kahwa“-Pavillon von Mahmoud, Imke und Khaled auf dem Martin-Niemöller-Platz. Waffeln im Manga-Cosplay-Ambiente im Bayer Atrium, serviert in den ehemaligen Umkleidekabinen der Sportler. Abendbrot im Abendrot bei Malte und Melanie mit verschiedensten Schnittchen in der Senefelderstraße – bunter und leckerer kann ein Nachbarschaftskennenlernen kaum sein.
Bei so vielen Stationen musste man sich natürlich für ein Viertel entscheiden, und selbst dort schaffte es der Magen nicht, alle Stationen zu kosten. Doch die nah bei einander liegenden Stationen machten zumindest eine große Probierspanne möglich. Wer noch nie bei so etwas mitgemacht hatte, betrat ein fremdes Wohnzimmer zu Beginn vielleicht noch etwas scheu, doch wenn man die erste Station erlebt hatte, ging es ab dann entspannt und ungezwungen weiter. Der Mix ist ungewöhnlich, einerseits wurde man bedient wie im Restaurant, andererseits brachte einen schon die Neugier dazu, die Tischnachbarn zu fragen, woher sie kommen und wo sie bereits waren – und kam so ins Gespräch. Eine tolle Art, nicht nur benachbarte Gastgeber, sondern auch die Gäste aus dem Viertel kennenzulernen.
Die Bezahlung gestaltete sich ebenfalls divers. Manche hatten Menü-Karten mit festen Preisen, andere ein Spendenschwein, mancher sammelte, was man geben wollte, für den eigenen Aufwand, andere für gemeinnützige Projekte und Vereine. Auch die Hintergründe der Gastgeber waren spannend, vom Ex-Profikoch über den leidenschaftlichen Hobbykoch bis zur noch recht jung entflammten Kochbegeisterung war alles dabei. So wechseln sich zum Beispiel Celvin und Felix in ihrer WG wöchentlich beim Kochen ab, sie hatten spontan die Idee, dieses Jahr auch mitzumachen. So spontan, dass sie der Mundpropaganda-Tip des Tages waren, denn ihre Anmeldung kam für den Flyer zu kurzfristig. Andere waren bereits schon mehrmals beim Restaurant Day dabei.
Der angekündigte Regen hielt sich bis zum Abend zurück, doch selbst dann ließ sich dank der kurzen Wege niemand abhalten. Und so konnte sich wahrlich niemand über zu wenig Gäste beklagen, eher im Gegenteil. Und wer gerade noch Entscheidungsschwierigkeiten hatte, wo man als nächstes hingehen würde, wärmte sich erst einmal mit arabischen Heißgetränken von Mahmoud auf, bevor es weiterging. Ulrich T. Christenn, der den ersten Restaurant Day nach einem Anstoß von seiner Frau initiierte, war begeistert, wie gut er ankommt. Sein Ansinnen ist, das viel zu oft negativ assoziierte Viertel in ein positiveres Licht zu rücken und die Anwohner näher zusammenrücken zu lassen. Wenn sich nun mancher grüßt, weil man sich vom Restaurant Day kennt, ist für ihn schon viel gewonnen. Er war selbst fünf Mal Gastgeber, bevor er als Gast die andere Seite zu erleben begann.
Mit 14 Stationen fing es an, das Angebot hat sich also über die Jahre verdoppelt und ist damit definitiv eine Erfolgsgeschichte. Am Ende traf man einen Großteil der Gäste bei Pank & Frei in der überdachten Löw der Alten Färberei wieder, wo bis tief in die Nacht mit verschiedenen Suppen, Drinks und DJ-Musik der Abend ausklang. Gäste wie Gastgeber waren sich einig: alle freuen sich jetzt schon auf den nächsten Restaurant Day im Frühling, er findet nämlich zweimal im Jahr statt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Lieber Engels!
engelszungen 04/23
Lieber Herr Engels!
engelszungen 03/23
Lieber Engels!
engelszungen 02/23
„Wir werden uns der Abbagerung in den Weg stellen“
Linda Kastrup über die geplanten Klima-Proteste in Lützerath – Spezial 01/23
Dear Fred,
engelszungen 01/23
Dear Fred,
engelszungen 12/22
Lieber Friedrich
engelszungen 11/22
Blind Date mit einem Buch
Film „Federding“ und Gesprächsformat „Living Library“ in Barmen – Spezial 10/22
Fragen an Baerbock
Außenministerin beim Bürger:innendialog in Bonn – Spezial 10/22
Emotionaler Appell von Kölner Kinderchor
Musikvideo „Mer künnte Fründe weeden“ – Spezial 09/22
Verehrter Freund!
engelszungen 10/22
Lieber Engels!
engelszungen 09/22
Lieber General,
engelszungen 08/22
Lieber Fritz,
engelszungen 07/22
Lieber Engels!
engelszungen 06/22
Lieber Friedrich,
engelszungen 05/22
Mein lieber Herr Engels
engelszungen 04/22
Eine klare Botschaft
Friedenskundgebung „Peace Please“ auf dem Kölner Heumarkt – Spezial 04/22
Komplott-Kompott
Legendenbildung um einen Aggressor – Spezial 03/22
Solidarität mit der Ukraine
Friedensdemonstration gegen den russischen Überfall – Spezial 03/22
„Nicht nur zum Feiern zusammenstehen“
Stimmen von der Kölner Friedensdemo – Spezial 03/22
Lieber Frederick!
engelszungen 03/22
Sabotage für das Klima
Extinction Rebellion in Wuppertal
Dear Frederick,
engelszungen 02/22
Lieber Friedrich
engelszungen 01/22