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Symbolfoto zu „Zeitgrenzraummaschine“
Foto (Ausschnitt): Yoshie Shibahara

Das Unsichtbare sichtbar machen

08. April 2024

Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24

Es gibt einen Moment, bevor die Sonne vollständig untergegangen ist, in dem man den roten Feuerball nicht mehr sieht, sein Licht aber noch leuchtet. Die Menschen verwandeln sich dann in Silhouetten, deren scharfe Konturen sich schwarz vom Horizont abheben. In Japan kennt man sich mit Auf- und Untergängen der Sonne aus, trägt das Land die Sonne doch im Emblem. „Es gibt im Japanischen unzählige Begriffe für diesen Zustand“, erklärt Yoshie Shibahara, die ihn schon als Kind vom Garten ihres Elternhauses aus an einer nahen Bahnstrecke beobachten konnte (siehe Foto).

Die japanische Choreographin lebt in Köln und gehört seit zwei Jahrzehnten zum festen Bestandteil der nordrheinwestfälischen Tanzszene. Ihre neue Produktion trägt den Titel „Zeitgrenzraummaschine“ und bezieht sich auf dieses Phänomen, das im Japanischen „Ōmagatoki“ heißt und die Auflösung der Grenzen in einer Übergangszeit bezeichnet. In diese Zeit fallen für Japaner die Begegnungen mit den Dämonen und die Vorboten der Katastrophe. Mit letzteren haben die von Erdbeben heimgesuchten Insulaner immer zu rechnen. Aber ist das Bild von den Dämonen und dem drohenden Ende nicht auch eine überaus pointierte Beschreibung unserer gegenwärtigen politischen Situation?

Yoshie Shibahara ist eine große Künstlerin der Andeutung. So versteht sie auch die neue Installation, die in den Räumen der Tanzfaktur zu sehen sein wird, als eine Art Medium, das uns Betrachtenden wie ein Fenster dienen soll, durch das wir auf etwas tiefer Liegendes schauen können. „Das Unsichtbare sichtbar machen“, darin besteht das Credo ihrer Kunst, die sich auch dem Unhörbaren und dem Untastbaren verschrieben hat, wie sie sagt. Gleichwohl arbeitet sie mit Material und Körper, aber eben mit einer Subtilität, deren feine Sinnlichkeit den Geist anregt. Diesmal sind es weiße Stoffe, die sich so verformt haben, dass man den Wind erahnen kann, der vermeintlich durch sie hindurch gegangen ist. Man solle spüren, dass die Erinnerung noch Spuren im Raum hinterlassen hat, erklärt sie. Mit einer Art Rückblick aus der Zukunft nehmen wir dabei unsere Gegenwart ins Visier. Es ist diese meditative Konzentration, mit der Yoshie Shibahara nicht erst in dieser aktuellen Arbeit die hiesige Kunstszene beschenkt.

Zeitgrenzraummaschine | 26. (P), 27.4. je 20 Uhr | Tanzfaktur, Köln | 0221 22 20 05 83

Thomas Linden

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