Peter Jordan (*1967 in Dortmund) begann 1994 als Schauspieler am Volkstheater Rostock. Neben Engagements an Bühnen in Bochum, Hamburg und Berlin spielte er in Film und Fernsehen. 2010 führte er am Theater Dortmund erstmals Regie.
Wenn das Nichtsein einst die letzte Option für Schauspieler gewesen wäre, wer hätte heut´ denn schon von einem Tausendsassa wie Shakespeare gehört? Niemand? Das Sein an sich blieb also immer die wichtigste Aufgabe der Darstellenden Künste, selbst unter der Androhung von Kerkerhaft oder Fallbeil. Wer wüsste dies nicht besser als dieser geniale Theaterautor, Impresario, Intendant und wohl auch Mime des Londoner Globe, dessen wahre Existenz ein Geheimnis bleiben wird. Zufall? Ich denke, auch das war ein genialer Schachzug. Immer noch geistern seine Helden über die Bühnen, manchmal auch durch Keller oder Zelte, wie jetzt auf den Düsseldorfer Rheinwiesen. Peter Jordan, Schauspieler, Regisseur, Tatortkommissar und jetzt auch Stückeschreiber, hat dem Meister dort ein wildes Denkmal gesetzt: Sein „The Queen's Men" ist ein Parforceritt durch die Stücke, ein Konglomerat aus Textfetzen und eine gefühlte Zeitreise ins britische 16. Jahrhundert. Auf Holzbänken im Kreis, Sein oder Nichtsein im Blick, die Notsignal-Geräuschkulisse der Landeshauptstadt immer präsent, so hocken die Zuschauer mit großen Augen und lauschen der unerhörten Verdrehung allen Wissens. „Es ist gut, wenn man die Stücke Shakespeares kennt“, flüstert mir die ältere Dame im Dunklen verschmitzt zu, wir werden in der Pause darüber philosophieren, dass solche Theaterereignisse auch den Stadttheatern helfen zu überleben und dass man nicht allzu kritisch damit umgehen sollte. Wenn die Schauspieler das Transparent „Theaterzelt günstig abzugeben" hochstemmen, zeugt genau das von der Sorge die landauf, landab Theater wie Zuschauer umtreibt.
Aber die Regie macht etwas aus diesem Abend. Es ist keine Komödie, sondern mehr Klamauk, aber immerhin fast auf einem Monty-Python-Niveau und so wird es tatsächlich nie langweilig zwischen Shakespeares Dramen und Komödien, wohl auch zwischen Ibsens Nora und Sir Andrew Lloyd Webbers Gaston-Leroux-Adaption. Der Plot ist schnell, die Zitate prasseln, manchmal verliert man auch die Übersicht. Wenn „ich weiß welches Stück“ nicht mehr funktioniert, dann hat Jordan alles richtig gemacht. Dies ist nämlich keine Quizshow, sondern ein Theaterabend mit stotternden jungen Helden, versoffenen alten Säcken und Theaterchefs die ums Überleben kämpfen – nicht wegen der fehlenden Fördermittel, sondern wegen dem drohenden Strick am Galgen. Eine ganze Fußballmannschaft MimInnen und zwei Musiker rocken dafür das Zelt. Sie müssen rennen, springen, fliegen, tauchen, hinfallen, gleich wieder aufstehen, und dabei atemlos Kostüme (Barbara Aigner) wechseln. Besonders erwähnt sei hier Kilian Land, der am Schluss fast nahtlos zwischen Thomas Pope und Lord Burghley hin und her switchen muss und erwähnt sei auch das großartige Bühnenbild (Christoph Schubiger) mit Globe-Attitüde und Nebel-Whirlpool.
Peter Jordan (*1967 in Dortmund) begann 1994 als Schauspieler am Volkstheater Rostock. Neben Engagements an Bühnen in Bochum, Hamburg und Berlin spielte er in Film und Fernsehen. 2010 führte er am Theater Dortmund erstmals Regie.
Der eigentliche Plot ist einfach: Eine Theatertruppe und Queen Elisabeth I. kämpfen ums Überleben, gegen die Pest und dunkle Widersacher. Allerdings nicht gemeinsam, noch nicht. Shaunessy Williams (Moritz Führmann), der Autor der Truppe, hat Schreibblockade: Das neue Stück „Hamlet zaudert“ passt noch nicht so richtig, für den Auftrag über ein Stück „mit drei Hexen“ fehlt ihm noch der richtige Aufhänger. Es wird eng, denn „Die Sommernachts-Fantasie“ (in der Truppe auch als „Bumsstück“ verschrien) ist längst abgespielt. Da erscheint Elisabeth (Hanna Werth) im Clownskostüm und will dem Volk aufs Maul schauen. Das Inkognito passt, nur der Name Julia setzt in Shaunessy wohl etwas frei.
Wilde Perücken und passende Shakespeare-Kostüme, das Regieteam Peter Jordan und Leonhardt Koppelmann lässt nichts aus. Ob Narr oder Krüppel, ob Stotterer oder Clown, immer gibt es „Viel Lärm um nichts“, oder „Was ihr wollt“ oder „Wie es euch gefällt“, mal ist es Komödie, Musiktheater, Operette, Drama, aber immer fulminant. Dass Shaunessy sogar die Königin küssen darf, während die Nachtigall oder die Lerche – wer weiß das schon – und seine Truppe am Ende staatsfinanziert ist und „The Queen´s Men“ heißt, tosender Beifall ist ihnen gewiss. Und das „bisschen“ Düsseldorfer Lokalkolorit sei dem Dortmunder Jordan verziehen – war ja eine Auftragsarbeit fürs Theater (noch) ohne Haus.
„The Queen´s Men“ | R:Peter Jordan,Leonhard Koppelmann | 30.9., 10., 21., 28.10. 19 Uhr, 1., 15.10. 16Uhr | Theaterzelt an den Rheinterrassen, Düsseldorf | www.dhaus.de
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