Eigentlich sollte das Bill Frisell Trio bei der 32. Ausgabe der Dortmunder Jazztage im Jazzclub Domicil auftreten, zum 20. Jubiläum des Jazzclubs in der aktuellen Location. Krankheitsbedingt wurde der Termin nicht aufgehoben, nur aufgeschoben. So gastiert der Gitarrist Bill Frisell, ein Sonderling im Reich der Jazzgitarre, jetzt zu Jahresbeginn kurz vor seinem eigenen 75. Geburtstag im Club.
Schon 2017 erschien ein Dokumentarfilm über den amerikanischen Gitarristen, der von Anbeginn seiner Karriere einen Weg abseits der üblichen Jazzgitarre suchte, abseits auch der Kollegen Pat Metheny (sein Kommilitone in Boston) oder des heutigen Urgesteins John Scofield, die ebenfalls mit poppigen und rockigen Sounds die Jazzgeschichte für ihr Instrument veränderten. Bill Frisell ging einen leiseren Weg, den puristischen volksnahen und poetischen Pfad eines Antivirtuosen. Er buchstabierte seine Soli, setzte die Töne wie Worte in lyrischen Versen, erzeugte atmosphärische Soundkollagen und atmete dabei völlig natürlich. Er ist der Multikulti-Vermischer wie der Traditionalist mit schon früh erkennbaren starken Wurzeln in der Country-Musik und dem Blues, deshalb auch gern unterwegs mit intellektuellen Popikonen wie Marianne Faithfull oder Elvis Costello.
Frisell kommt einerseits vom sanften Sound der Klarinette, andererseits hat er in den wilden Achtzigern in der New Yorker Downtown-Szene mit den punkigen Lärmanbetern wie John Zorn gearbeitet. Vielleicht hat er dort erlittene Verletzungen mit Bluegrass und Country gelindert. Wohler fühlte er sich auch im Bereich der Filmmusik, als Stummfilmkomponist für Pioniere wie Buster Keaton oder lebende intellektuelle Köpfe wie Wim Wenders. Auch seine musikalischen Reflexionen zu Gemälden Gerhard Richters schlummern in seinem Plattenschrank eigener Werke. Den Draht nach Europa, speziell nach Deutschland und ganz konkret ins Ruhrgebiet verdankt er dem Jazzproduzenten Manfred Eicher und einer mehrjährigen Funktion als Kurator für die Ruhrtriennale.
560 Seiten hat Frisells Biograf Philip Watson benötigt, um das bewegte Leben seines „Beautiful Dreamers“ nachzuzeichnen. Der Stand der Dinge 2026 lässt sich jetzt im Trio mit Bassist LukeBergmann und Schlagzeuger Rudy Royston, langjährigen Weggefährten, im Domicil belauschen – zwischen Folk und Avantgarde.
Bill Frisell Trio feat. Thomas Morgan & Rudy Royston | Do 29.1. | Domicil, Dortmund | 0231 862 90 30
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