Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.632 Beiträge zu
3.854 Filmen im Forum

Johanna Summer
Foto: Hartmut Sassenhausen

Groove gegen Trump

05. November 2025

Johanna Summer und das Uri Caine Trio in der Sparkasse – Musik 11/25

„Wir kommen aus New York“, und direkt anschließend kommt „Wir hassen Trump“ auf Englisch nach der ersten Nummer über die Lippen von Uri Caine. Das zahlreich erschienene Publikum klatscht darauf beifällig. Mit diesem Statement hat es der berühmte Pianist ganz auf seine Seite gebracht. Aber auch musikalisch gibt es sich hellauf begeistert ob der packenden Darbietungen von ihm, Kontrabassist Mark Helias und Schlagzeuger Ben Perowsky.

Energetischen Jazz präsentiert das Trio bei seinem ersten Konzert seiner 14-tägigen Tournee durch Deutschland, Italien, Österreich und Spanien. Die drei Musiker kennen sich seit vielen Jahren. So wundert es nicht, wie sehr sie miteinander harmonieren. Mit großer Spielfreude präsentieren sie drei mehrteilig aufgebaute Stücke plus eine kurze Zugabe. Dabei changieren sie abwechslungsreich etwa zwischen Bebop, Swing, Groove oder Funk. Ihre fein durchstrukturierten Soli führen sie streckenweise zu packenden Improvisationen, wobei Themen motivisch und rhythmisch zerlegt und neu zusammengesetzt werden.

Genre-Experimente

Mit viel Esprit zieht Caine das Publikum mit seiner verspielten Vortragskunst in seinen Bann – weltweit ziehen vor Musiker vor ihm den Hut, wegen seiner Experimentierfreude im Umgang mit klassischen Komponisten und variantenreichen Gestaltung genreübergreifender Musikstile. Dynamisch geht Helias mit dem Kontrabass um, selbst in ruhigen Passagen gestaltet er die Töne zupackend und zieht musikalische Spannungsbögen. Last but not least sorgt Perowsky nicht nur für treibende rhythmische Fundamente, sondern brilliert auch gerade bei seinem großen Solo, das er schlicht beginnt und kraftvoll enden lässt.

Zuvor demonstriert die im sächsischen Plauen aufgewachsene Pianistin Johanna Summer mit ihrem Soloauftritt hohe Improvisationskunst, von gefühlvollen Momenten bis hin zu Ausbrüchen in Form donnernder Repetitionen, die wie solche in Béla Bartóks „Allegro Barbaro“ anmuten. Basis ihrer Improvisationen sind Ausschnitte aus klassischen Werken, etwa die „La campanella“ von Franz Liszt und Frédéric Chopins erstes Nocturne aus Opus 55 wie seine „Fantaisie Impromptu“ oder eine Passage aus einer Suite für Klavier Georg Friedrich Händels. Unbeschwert und variantenreich geht sie damit um, unter anderem verwendet sie klassisch-avantgardistische Strukturen und tradierte Jazz-Formen.

Spielerisches Wagnis

Doch: So gut wie nahtlos schließen sich der Anfang einer Klaviersonate Ludwig van Beehtovens und Johann Sebastian Bachs geistliche Motette „Jesu meine Freude“ an. Genauso gehen der Anfang der jeweils ersten Sätze eines Streichquartetts und einer Klaviersonate Wolfgang Amadeus Mozarts sowie der Beginn des Italienischen Konzerts von Bach ineinander über. Solche Aneinanderreihungen erwecken den Eindruck, als würden sie über einen Kamm geschert, obwohl diese Werke inhaltlich wie kompositorisch nichts miteinander zu tun haben. Trotzdem versucht Summer, sie in einen Kontext zu bringen. Das gelingt ihr qua der unterschiedlichen musikalischen und stilistischen Musiksprachen natürlich nicht bruchlos. Verspielt ist die Gestaltung des Jazzstandards „Peace“ von Horace Silver als Zugabe.

Das Doppelkonzert in der ausgezeichnet besuchten Glashalle der Sparkassenzentrale kommt richtig gut an. Frenetisch werden Summer und das Uri Caine Trio gefeiert.

Hartmut Sassenhausen

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Neue Kinofilme

Avatar: Fire and Ash

Lesen Sie dazu auch:

Und täglich spielt Babik
Roman Babik im Allee-Stübchen

Jazz-Talent
Jonas Sorgenfrei Quintett auf der Insel

Family & Friends
Wienstroer & W3 Projekt im Loch

Völlig natürlich atmen
Gitarrist Bill Frisell im Dortmunder Domicil – Improvisierte Musik in NRW 01/26

Praktisch plötzlich doof sein
Helge Schneider präsentiert seine neue Tour – Prolog 12/25

Orgeltrio mit frischem Sound
„Deadeye“ im Kölner Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 12/25

Ohne Zugabe
Trio Stockhausen-Puntin-Weber und Felix Hauptmann Quartett auf der Insel – Musik 11/25

Motor mit edlem Klang
Dave Holland in der Essener Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 11/25

Nicht mehr wegzudenken
Das Wuppertaler Jazzmeeting 2025 – Musik 10/25

Im Rausch der unerhörten Klänge
Beyond Dragons im Dortmunder Domicil – Musik 10/25

Jenseits üblicher Klänge
Das Multiphonics Festival 2025 in Köln und Wuppertal – Improvisierte Musik in NRW 10/25

Vater des Ethiojazz
Mulatu Astatke im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 09/25

Musik.