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Die iranische Fimemacherin Mehrandokht Feizi und der albaische Lyriker Edmond Mesuli
Foto: David Fleschen

Der Wuppertaler Weg

02. Dezember 2016

Refugees Night am 1.12. im Swane Café mit zwei Filmvorführungen – Foyer 12/16

Wuppertal 1.12. – Deutschland braucht mehr Wuppertal. Mit diesem Satz beendete die Wochenzeitung „Die Zeit“ vor etwa einem Jahr einen Artikel gegen Alltagsrassismus und verwies damit auf die vorbildliche Integration von Flüchtlingen in der Stadt. Seitdem ist auf der ganzen Welt viel in der Flüchtlingsdebatte passiert. Aus Wuppertaler Perspektive kann man dabei immerhin die gute Nachricht vermelden: Auch im Spätherbst 2016 hat die Stadt ihre vorbildliche Strahlkraft nicht verloren. Im Gegenteil. „Wir wollen mehr Wuppertal wagen“, steht inzwischen in großen Buchstaben über dem Rathausportal der Stadt und regt zu einem verantwortungsbewussten Miteinander an.

Große Worte sind freilich nichts ohne Taten. In diesem Sinne lud das Swane Café gemeinsam mit dem Verein Hand in Hand e.V. zur Refugees Night ein. „Den Anwesenden hier sind die Bedeutung von Respekt und Toleranz vermutlich bewusst“, erklärten die Gastgeber Selly Wane und Wolfgang Rosenbaum zur Begrüßung. „Doch nicht überall funktioniert die Integration so vorbildlich wie bei uns. Deshalb ist es wichtig, immer wieder an die Schicksale zu erinnern, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Am Ende teilen wir schließlich alle die gleichen Sehnsüchte und Ängste.“

In diesem Sinne gehörte die Bühne anschließend ganz der Kreativität von Menschen mit Migrationshintergrund. Edmond Mesuli aus Albanien trug zunächst einige seiner Gedichte vor, die in feinen Worten von Kampf und Zerrissenheit aber auch von der Hoffnung auf etwas Neues erzählen.

Dann folgte der cineastische Teil des Abends: Der Experimentalfilm „Unsere pochenden Herzen“ ist eines von zahlreichen Filmprojekten, die das Medienprojekt Wuppertal in diesem Jahr dem Thema Flucht und Folgen gewidmet hat. Zu sehen sind Migranten, die sich in der Stadt irgendwo im zeitlichen Niemandsland zwischen einer schmerzlichen Vergangenheit und einem unbestimmten Morgen bewegen. Eine quälende Zeit, die der Film als Balanceakt unter der Schwebahn, die ja auch unentschlossen zwischen stählerner Vergangenheit und visionärer Zukunft durch die Stadt mäandert, in Szene setzt.

Afro Pop von Joseph Muaka als stimmungsvoller Abschluss, Foto: David Fleschen

Bevor der Abend mit Afro Pop von Joseph Muaka, der selbst aus dem Kongo geflüchtet ist, einen stimmungsvollen Ausklang fand, folgte zunächst der Hauptfilm des Abends: 2006 ist die Iranerin Mehrandokht Feizi nach Deutschland geflüchtet und hat dort im Erstaufnahmelager Klostermark Brandenburg, irgendwo auf dem platten Land hinter der Autobahnauffahrt Osnabrück-Hafen und Ikea gelegen, ziemlich traurige Zustände erlebt: furchtbares Essen, trostlose Langeweile und das Gefühl im umzäunten Gebiet des Flüchtlingslagers den Status einer Aussätzigen zu haben.

Im Mittelpunkt ihres Dokumentarfilms über diese Zeit steht die Band „Les Réfugiés“, die der Trostlosigkeit des Lageralltags die Kraft ihrer Musik entgegensetzt. Man kann nur ahnen, welche Gründe die Menschen bewegt hat, das Schicksal eines immer gleichen Tags in einem kasernenartigen Gelände ohne große Zukunftsaussichten dem Leben ihrer Heimat vorzuziehen. In der Musik offenbaren sich aber die Konflikte, die die Bandmitglieder hinter sich haben. Auch die Rolle der Europäer wird dabei kritisch durchleuchtet. „In Deutschland trinken alle Menschen andauernd Kaffee“, sagt eines der Bandmitglieder mit Blick auf die Ausbeutung von Ressourcen. „Aber es gibt hier keine einzige Kaffeestaude.“

Es ist vielleicht etwas vereinfacht, wenn im Film ein Aktivist den ungerechten sozialen Zustand der Welt bis ins kleinste Detail auf die Machtausübung einer „herrschenden Klasse“ schiebt: Vom schlechten Kantinenessen, bis zum Zwang, Marken für die Waschmaschinen im Lager kaufen zu müssen. Der Film zeigt aber dennoch: Ghettoisierung und Abgrenzung sind keine Lösung für die Herausforderungen, die aus Flucht und Vertreibung entstehen.

Dass es dabei hierzulande immerhin die Chance gibt, als Flüchtling den Weg in die Mitte der Gesellschaft zu finden, zeigt dabei der weitere Lebensweg eines der Bandmitglieder von „Les Réfugiés“. Einige Jahre nach seiner Zeit im Flüchtlingslager machte er den zweiten Platz in einer bekannten deutschen Fernsehshow. Der Titel: Deutschland sucht den Superstar.

David Fleschen

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