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Jung tanzt gut: starke Performance der Nachwuchstänzer
Foto: Sala Seddiki, Copyright Pina Bausch Foundation

Laut sein können

26. Februar 2016

Umjubelte Premiere von „Jung & Laut“ das am 25.2. im Haus der Jugend – Bühne 02/16

Alleine der Projektrahmen setzt ein schönes Zeichen: 18 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren, die meisten aus Vohwinkel, viele mit Migrationshintergrund, bringen gemeinsam mit der Pina Bausch Foundation ein Tanz-, Theater- und Videoprojekt auf die Bühne. Das Programm „Kultur macht stark“ fördert das Ganze. „Jung & Laut“, das am 25.2. im Haus der Jugend Premiere feierte, ist dabei ein Projekt, das nicht nur Perspektiven und Potentiale für junge Menschen sichtbar macht, sondern auch die Frage nach einem gemeinsamen „Wir“ stellt. Ein hochaktuelles Thema also.

Doch wer sind eigentlich „Wir“ und wer sind „die Anderen“? Zu Beginn der Vorstellung stehen zwei junge Menschen auf der Bühne, schauen lässig ins Publikum und sagen einfach nur „Hey“. Immer wieder „Hey“. Warten sie auf eine Reaktion des Publikums? Oder wartet das Publikum auf sie? Es ist in diesem Moment fast so, als wäre das Publikum die Bühne und die jugendlichen Performer die Zuschauer. Und tatsächlich: „Wir“, „Ihr“, „die Anderen“: Sind das nicht sehr subjektive Begriffe? Das „Hey“ steht jedenfalls irgendwie über solchen Normvorstellungen und scheint zu sagen: Seht her, hier sind ein paar Jugendliche, die sich gerne ausdrücken möchten. Laut sein wollen. Alles andere wird sich finden.

Was dann folgt, ist beeindruckende Tanzkunst. Zunächst vorsichtig, fast abtastend, beginnen sich die jungen Tänzer durch den Raum zu bewegen. Doch schon bald wird die Musik lauter und der Tanz wilder. Wie beim großen Vorbild Pina Bausch wird dabei alles mit allem in Beziehung gesetzt und durch choreographische Disziplin in einen großen Fluss verwandelt, in dem das scheinbar Nebensächliche und Absurde genauso seinen Platz findet, wie die großen Fragen des Lebens. Dabei erzählen die Jugendlichen auch von ihren Familien. Zwei Tänzerinnen kommen aus Polen, eine aus Kurdistan und einer aus Afghanistan. Doch das ist eher nebensächlich. Über allem steht die Intensität des Tanzes und die Lust am gemeinsamen Spiel.

Seit September haben die Jugendlichen an ihrem Stück geprobt. Jetzt kann man am Tempo und der Geschlossenheit der Choreographie nur noch erahnen, wie hart die Jugendlichen – die meisten von ihnen kamen ohne jede Tanzerfahrung in das Projekt – unter der Leitung der erfahrenen Pina Bausch-Tänzer Clementine Deluy und Pascal Merighi an sich und an ihrem Tanz gearbeitet haben. Es ist eine Arbeit, die sich definitiv gelohnt hat: Am Ende der Aufführung gibt es nicht nur den tosenden Applaus der Klassenkameraden, sondern auch begeisterte Tanzexperten, Lehrer, die in allen möglichen Sprachen zum Erfolg gratulieren und stolze Eltern, die davon erzählen, wie dankbar sie sind, dass sie nach ihrer Flucht nach Deutschland vor ein paar Jahren in Vohwinkel so viel Unterstützung erfahren haben. „Ich bin super zufrieden“, sagt eine der Tänzerinnen.

Wie wertvoll die Arbeit der Initiative ist, davon erzählen die Filme der Videogruppe, die parallel im Foyer gezeigt werden. Man sieht dort einen Film, in dem die Angst vor dem Fremden thematisiert wird. Die Schwarz-Weiß-Rhetorik mancher Politiker hat dort auch unter den Jugendlichen für ein Misstrauen gegenüber Fremden gesorgt, das erst durch Erfahrung überwunden werden kann. Als Gegenentwurf drehte die Gruppe dann eine kleine Dokumentation über die internationale Klasse der Pina-Bausch-Gesamtschule, in der sich Schüler aus ganz unterschiedlichen Ländern ziemlich wohl zu fühlen scheinen. Dazwischen sieht man auf weiteren Bildschirmen immer wieder Bilder von den Tanzproben. „Ein Fremder ist ein Freund, den man noch nicht kennt“, heißt es in einem der Clips. „Meine Nationalität? Mensch“, sagt ein anderer. Beides sind natürlich erst mal nur Sprüche. Die Jugendlichen von „Jung & Laut“ haben sie aber an diesem Abend mit Leben gefüllt.

David Fleschen

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