In Unna findet man Kunst in den Kellergewölben der ehemaligen Linden-Brauerei. Kunst-Licht auf höchstem Niveau: Von Rebecca Horn bis James Turrell. Nur so ergäbe das langfristig Sinn, war der Tenor schon vor und auch nach der Eröffnung 2001. Damals hielt selbst der Bürgermeister seine Stadt im „gewissen Sinne“ für Provinz. Ein „Zentrum für internationale Lichtkunst“ (ZfIL) war es eigentlich auch noch nicht – das Museum am Rand des Ruhrgebiets musste lange um überregionale Anerkennung kämpfen. Jetzt feiert es sein 20-jähriges Bestehen und ist ein Solitär auf der Welt geblieben. Bis heute ist das ZfIL das erste und einzige Museum, das sich ausschließlich der Präsentation von Lichtkunst widmet.
Im Jubeljahr hat Museumsdirektor John Jaspers die Wechselausstellungs-Räume der Kellergewölbe für drei große Arbeiten frei gemacht: Raumgreifend, raumfüllend, lichtflutend sind sie echte Highlights im immer geführten Parcours durch die Ausstellung „Faszination Licht“. Ein elektrifizierter Blick auf das kulturell Erhellende der dunklen Gegenwart, der auch den Besuchern zeigen soll, wenn sich Zeit und Raum in Licht auflösen. Also hinunter in die kühlen Hallen, wo sich noch Relikte aus der Brauerei-Ära finden lassen. Los geht‘s mit der Installation „Spectrum (Frame Version)“ des französischen Künstlers Olivier Ratsi, der im ersten Raum mit dem gesamten Farbspektrum des Regenbogens spielt. 20 farbändernde, quadratische LED-Rahmen sind dort mit mathematischer Präzision hintereinander aufgehängt, schweben quasi im Raum. Träge wechseln die Farben, pulsieren unendlich langsam, verschieben die Blickachsen und die Verortung des Betrachters.
Den nächsten dunklen Raum erobern alle auf Socken. Wer schon eine Dekade früher in Unnas Lichtkunstmuseum gejubelt hat, der wird die audiovisuelle Gemeinschaftsarbeit „Plane Scape“ der vier Künstler Wolf Bittner (DE), Lyndsey Housden (UK), Yoko Seyama (JP) und Jeroen Uyttendaele (BE) wiedererkennen. Ich muss das verpasst haben. Ein dumpfer Grundton (Sechs-Kanal-Ton-Komposition) füllt den Raum, den ein wandernder Lichtstrahl leicht erhellt und den Blick auf ein Labyrinth aus tausenden Gummibändern öffnet. Immer wieder scheinen sich Wege zu öffnen und Konstrukte zu manifestieren, doch greifbar bleibt da nichts im Raum, durch den man sich überaus vorsichtig bewegen kann - ein außergewöhnliches Erlebnis von Orientierungslosigkeit trotz Beleuchtung in der Dunkelheit.
Zu viel Meditatives ist auch nicht gut, also Schuhe an und rein in die psychedelische Höhlenwelt. Offiziell heißt das: die US-amerikanische Künstlerin Adela Andea lässt grell bunte Leuchtkörper über alte Steinwände mäandern. Wenn das so einfach wäre. Wochenlang hat sie Haufen aus farbigem Licht montiert, schwammartige Gebilde entstehen lassen und mit zahlreichen offenen Leitungen und Netzteilen für voll-modulares Kabelmanagement ein mächtiges Kunstwerk geschaffen, dessen flimmerndes Gesamtbild lange nachhallt, selbst wenn man den sonnigen Lindenplatz wieder erreicht hat.
Faszination Licht – (De)Konstruktion - Licht & Raum | bis 24. April 2022 | Zentrum für internationale Lichtkunst, Unna | 02303 10 37 51
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Sehen in die Ferne
Dieter Kiessling bei Rolf Hengesbach
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Antennen in die Zukunft
„The Camera of Disaster“ in Mönchengladbach – Kunst in NRW 09/22
Wenn der Zucker macht, was er will
Markus Heinzelmann über„Die Kraft des Staunens / The Power of Wonder“ – Sammlung 05/22
Regeln der Kunst
Die Sammlung des Josef Albers Museum Quadrat Bottrop zu Gast in Hagen – kunst & gut 01/22
Bilanz einer Reise
Albrecht Dürer im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen – Kunst in NRW 10/21
„Wir leben in dystopischen Zeiten“
„Willkommen im Paradies“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 09/21
Menschen in Räumen
Tim Eitel in der Neuen Galerie Gladbeck – Kunst in NRW 04/21
Fotografie über Fotografie
Stefan Hunstein im Kunstmuseum Bochum – Kunst in NRW 03/21
Der Mensch bei sich
Hede Bühl in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 03/21
Süß bis zum Würgen
#cute im NRW-Forum in Düsseldorf – kunst & gut 11/20
Systemkritik
Engelskirchener Kunstprojekt zu Friedrich Engels – Kunst 09/20
Diskreter Charme von Rhein und Ruhr
Jenseits von 99 Luftballons: Hanns Friedrichs in Hagen
– kunst & gut 01/23
Exo-Dimensionen der Sichtweise
Andreas Schmitten im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 12/22
Todfeinde der Malerei
„Eine neue Kunst. Fotografie und Impressionismus“ in Wuppertal
– kunst & gut 11/22
Vom Umgang mit Kolonialkunst
Auftakt der Ringvorlesung „Res(t)ituieren“ im Kubus – Kunst 10/22
Rituelles Blutrot auf formlosen Formen
Anish Kapoor im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 10/22
Die Schönheit der verhüllten Welt
Christo und Jeanne-Claude im Museum Kunstpalast Düsseldorf – Kunstwandel 10/22
Visionen zwischen Schein und Wirklichkeit
Zwei unterschiedliche Künstlerinnen im Osthaus-Museum
– kunst & gut 09/22
Seine Figuren erzählen keine Geschichten
„Metamorphosen des Körpers“ im Von der Heydt-Museum
– kunst & gut 08/22
Artifizielles Müllrecycling mitten im Wald
„Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 07/22
Als sich die Abstraktion erst mal in Luft auflöste
„Zero, Pop und Minimal“ im Von der Heydt Museum
– kunst & gut 05/22
„Sichtbarkeiten für Künstlerinnen schaffen“
Direktor Nico Anklam über Flo Kasearus Retrospektive in Recklinghausen – Sammlung 04/22
Landschaftspflege auf Leinwand und Fotopapier
Hans-Christian Schink im Von der Heydt-Museum
– kunst & gut 04/22