Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr...
Frankreich/Italien 2003, Laufzeit: 110 Min.
Regie: Valeria Bruni-Tedeschi
Darsteller: Valeria Bruni-Tedeschi, Chiara Mastroianni, Jean-Hugues Anglade, Denis Podalyds, Marysa Bruni Tedeschi, Lambert Wilson, Pascal Bongard, Nicolas Brianon, Yvan Attal, Emmanuelle Devos, Karine Sylla, Laurent Greville, Eva Ionesco, Jelena Sadowskaja, Alma Samel, Uta Samel, Victor Nebbiolo, Chloé Mons
Eine nach Entführungsdrohungen aus Italien nach Paris übergesiedelte, steinreiche Fabrikantenfamilie lebt in den Tag hinein, was besonders die älteste Tochter psychisch belastet: Sie flüchtet in Tagträume.Verstörende Parabel über die Schwierigkeit reich zu seinBei Patrice Chereau ("Mein Bruder") ging sie in die Schauspiel-Lehre. Seitdem hat die 1964 geborene Schauspielerin Valeria Bruni-Tedeschi über 30 Filme des italienischen und französischen Autorenkinos der 80er und 90er Jahre entscheidend mitgeprägt, mit ihrer spröden Schönheit, ihrem differenziertem Spiel und ihrer ungeheuren physischen Präsenz viele Filme unvergesslich gemacht. Nun erinnert sie sich offensichtlich an eine ihrer ersten Filmerfahrungen, als sie 1987 mit acht anderen Schauspiel-Schülerinnen in dem Film-Experiment "Die Verliebte" von Jacques Doillons mitwirkte, in dem die persönlichen Erfahrungen der Darstellerinnen das Gerüst der improvisierten Handlung bildeten. Denn Bruni-Tedeschis erste Regiearbeit "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr" beschäftigt sich mit ihren Familien- und Liebeserlebnissen. Es gelingt ihr, einerseits dem zwiespältigen Charakter der Federica eine beklemmende Tiefe zu geben, andererseits aber auch mit selbstironischem Augenzwinkern auf ihre gestörte Seelenlandschaft zu blicken. Die Mittdreissigerin Federica hat nämlich ein Problem, das mancher von uns , oberflächlich betrachtet, gerne hätte: sie ist so reich, dass sie nicht arbeiten muss. Bei Federica löst das Schuldgefühle aus, sie ist geradezu gehemmt im Umgang mit anderen Menschen, sucht Rat und Trost im Beichtstuhl, den sie zum Erstaunen des überforderten Priesters eher als Psychiater-Couch betrachtet. Dass ihr Vater im Sterben liegt und die Erbverteilung ansteht, stürzt sie noch mehr in die Krise, zumal ihre Schwester ? großartig gespielt von der Deneuve-Tochter Chiara Mastroianni, die ihrem Vater immer ähnlicher wird ? auch nicht gerade psychisch stabil und keine Hilfe ist. Also flüchtet Federica in Tagträume, die die Regisseurin mit Erinnerungen aus der Kindheit und Zeichentrick-Sequenzen bebildert , die ironische Distanz zum manchmal verstörenden Geschehen schaffen, in dem die Reflektion über das Abschiednehmen, den Tod und die Einsamkeit (der Reichen) neben geradezu surreal komischen Momenten steht.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
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