Ich und du und alle die wir kennen
USA 2005, Laufzeit: 90 Min., FSK 6
Regie: Miranda July
Darsteller: Miranda July, John Hawkes, Miles Thompson, Brandon Ratcliff, Carlie Westerman, Natasha Slayton, Najarra Townsend
Die Regisseurin Miranda July, 31, sagt über die Filmmusik von Michael Andrews, dass sie ihren Film zum Leuchten gebracht hat. Das stimmt, und der Glanz wurde weiter gereicht. "Ich und Du und alle die wir kennen", der erste Spielfilm der US-amerikanischen Künstlerin über die Liebesversuche von Christine und Richard, bringt die Augen des Publikums zum Leuchten. So war es zumindest beim Internationalen Filmfest in München im letzten Sommer. Das Leuchten entsteht durch die vielen kleinen poetischen Erhöhungen des Alltags, die Miranda July in ihrem Film untergebracht hat. Untergebracht ist wohl das richtige Wort, denn der Film ist weder darum bemüht, einen Handlungsstrang sonderlich stringent zu verfolgen, noch andere dramaturgische Regeln abzuarbeiten. Es hat sie viel Zeit und Arbeit gekostet, die ganzen Regeln der Filmindustrie für ihren ersten langen Spielfilm zu erlernen. Nun, verrät sie in einem Interview, kann sie entscheiden, welche davon sie beachten will und welche nicht. So kreuzen sich die verschiedenen Geschichten im Film, dann laufen sie wieder auseinander. Sie erblühen in kurzen Momenten großer emotionaler Dichte, wenn Gefühle aufeinanderprallen, man etwas riskiert. Vor allem diese kurzen Momente, und es gibt unzählige davon, machen den Film so schwebend, dass man sich mit einer Nacherzählung der anekdotenhaften Handlung gar nicht aufhalten möchte - die Qualitäten des Films und der Darsteller wären damit nicht einmal im Ansatz gestreift. Diese poetischen Momente, die von Liebe, Tod und Sexualität handeln, führen einen von einem Höhepunkt zum nächsten und machen aus dem konventionellen dramaturgischen Bogen eine luftige Hügelkette. Man merkt dem Film an, dass er von einer Künstlerin gemacht wurde, die für gewöhnlich kleine Werke an einer großen Idee aufhängt (oder ist es umgekehrt?): Einige davon sind im Film Werke der Figur Christine geworden. Eigentlich soll man ja Figur und Darsteller nie miteinander verwechseln. Trotzdem fällt es schwer, in der Rolle der Künstlerin Christine nicht die Hauptdarstellerin und Regisseurin Miranda zu erkennen. Beide sind Künstlerinnen, die vor allem Performances machen und mit Video arbeiten, beide beschäftigen sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen auf eine sehr offene, direkte, ja fordernde Art, die von einer kindlichen Perspektive und Sehnsucht nach Geborgenheit geprägt ist. Christine ist sicherlich die bravere von beiden. Miranda hingegen kommt aus einem raueren Untergrund. Sie macht seit Jahren Performances und Musik - u.a. mit dem "Dub Narcotic Soundsystem", schreibt Kurzgeschichten und dreht Kurzfilme (u.a. "Nest of Tens", der auf dem Kölner DVD-Label Raum für Projektion erschienen ist). Bei "Learning to love you more", einem Internetprojekt für die Whitney Biennale 2004, fordert July: "Make a child's outfit in adult size"; "Give advice to you in the past"; "Write the phone call you wish you could have". Das hat sicher einen symbolischen oder therapeutischen Charakter, aber an Tatkraft fehlt es auch nicht. Nicht nur diese Website ist gefüllt mit Antworten. Bereits 1995 gründete sie mit "Joanie4Jackie" ein inzwischen florierendes Filmdistributionsnetzwerk für unabhängige Filmemacherinnen. Man schickt einen eigenen Film und erhält daraufhin ein Videotape mit den zehn zuletzt eingesandten Filmen - inklusive des eigenen. Die Themen des Films - von Liebe bis zur Selbstliebe - waren auch schon im restlichen Werk der Künstlerin zu finden. Nun hat sie all das einfach in diesen wunderbar-humorvollen, leichten, kaum greifbaren Spielfilm gegossen. Andererseits: Unangreifbar ist er nicht. Neben diversen Preisen in Cannes und anderswo und zahlreichen Lobeshymnen von Kritikern sind ebenso harsche Verrisse zu lesen. Man muss sich wohl entscheiden, ob man diese bedingungslosen und fordernden Gefühlsäußerungen akzeptieren will oder nicht. Wir haben uns dafür entschieden.
(Christian Meyer)
„Ich muss an das glauben, was ich filme“
Denis Imbert über „Auf dem Weg“ – Gespräch zum Film 12/23
Sieben Spitzenprämien-Gewinner
Kinoprogrammpreis-Verleihung in der Wolkenburg – Foyer 11/23
Kino galore
European Arthouse Cinema Day 2023 – Festival 11/23
„Zufriedenheit ist eine innere Einstellungssache“
Stefan Gorski über „Ein ganzes Leben“ – Roter Teppich 11/23
„Wir müssen begreifen, wozu wir fähig sind“
NRW-Premiere „Die Mittagsfrau“ im Kölner Cinenova – Foyer 10/23
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23
„Ich fühle mich oft als Außenseiter“
Teo Yoo über „Past Lives – In einem anderen Leben“ – Roter Teppich 08/23
„Das Leben ist im Doppel einfacher zu meistern“
Burghart Klaußner über „Die Unschärferelation der Liebe“ – Roter Teppich 07/23
„Petzold hat einen Reichtum an Anekdoten“
Enno Trebs über „Roter Himmel“ – Roter Teppich 04/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
Mysteriöses auf schottischem Landsitz
„Der Pfau“ im Cinedom – Foyer 03/23
„Emotionen kochen hoch und Leute entblößen sich“
Lavinia Wilson über „Der Pfau“ – Roter Teppich 03/23
Alle Farben der Welt
37. Teddy-Award-Verleihung bei der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Drei NRW-Filme im Berlinale-Wettbewerb
20. NRW-Empfang im Rahmen der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Hochwertiges deutsches Filmschaffen
Verleihung des Preises der Deutschen Filmkritik 2022 auf der Berlinale – Foyer 02/23
„Einen Körpertausch würde ich nicht gerne machen“
Jonas Dassler über „Aus meiner Haut“ – Roter Teppich 02/23
Herbstzeit – Kinozeit
European Arthouse Cinema Day – Festival 11/22
How to have sex
Start: 7.12.2023
The Dive
Start: 7.12.2023
Wie wilde Tiere
Start: 7.12.2023
Perfect Days
Start: 21.12.2023
Lola
Start: 28.12.2023
Poor Things
Start: 18.1.2024
The Palace
Start: 18.1.2024
Bob Marley: One Love
Start: 22.2.2024