Shame
Großbritannien, USA 2011, Laufzeit: 100 Min., FSK 16
Regie: Steve McQueen
Darsteller: Michael Fassbender, Carey Mulligan, James Badge Dale, Hannah Ware, Amy Hargreaves, Nicole Beharie
>> www.shame-derfilm.de
Erschütterndes Psychogramm
Erstarrtes Herz
„Shame“ von Steve McQueen
Mit dem Begriff der Promiskuität ist Brandons (Michael Fassbender) Leben ausreichend charakterisiert. Das macht Regisseur Steve McQueen bereits in den ersten Filmminuten mit einer Montage deutlich: Wir sehen die immer gleichen Rituale des morgendlichen Aufstehens, nur die Frau ist stets eine andere. Was anfänglich wie das Leben eines coolen Womanizers aussieht, entfaltet schnell seine zwanghafte Ausprägung. Brandons Schränke sind gefüllt mit Pornos, seinen Laptop benutzt er vor allem für Pornoseiten. Sogar sein Firmencomputer ist davon verseucht. Eines Tages steht der PC nicht mehr an seinem Platz, weil Techniker das Gerät untersuchen. Brandon fürchtet, dass seine Sucht entdeckt wird – denn er schämt sich dafür. Als sich seine Schwester, die er lange nicht gesehen hat, bei ihm einnistet, bringt das sein durchorganisiertes Doppelleben komplett durcheinander.
„Shame“ ist kein moralischer Appell. Der Künstler Steve McQueen, der mit seinem Nordirland-Drama „Hunger“ – ebenfalls mit Michael Fassbender in der Hauptrolle – zum Film gewechselt ist, hält allenfalls ein Zeitphänomen fest. „Access to Excess“ nennt Steve McQueen den Zustand, dass wir jederzeit alles haben können – und so viel wir wollen. Pornografie im Internet ist davon nur ein Teil, aber er zeigt am deutlichsten die rasante Entwicklung: Vor wenigen Jahren noch war die Beschaffung von Pornografie mit unterschiedlichsten Hürden verbunden – räumliche, juristische. Jetzt ist sie mittels Internet immer und für jeden zu haben. Die Schleusen haben sich geöffnet, und das verändert die Menschen. Es ist kein Zufall, dass „Shame“ in New York, der „Stadt, die niemals schläft“, angesiedelt ist. Brandon passt mit seinem Leben perfekt hierher: Er sieht gut aus, ist charmant, hat Stil und Erfolg, und nachts schläft er nicht viel. Doch sein Leben bleibt weitgehend anonym. Statt sich mit Freunden zu treffen, surft er lieber Pornos, chattet oder holt sich eine Prostituierte. Und wenn er doch mal ausgeht, dann macht er all das einfach danach.
Steve McQueen zeichnet mit Brandon keinen zweiten American Psycho. Auch wenn es Parallelen zu der Figur aus Bret Easton Ellis' Roman und der Verfilmung mit Christian Bale gibt – Brandon ist kein Psychopath. Im Gegenteil: Er ist nicht gewalttätig, sondern ein netter Typ. Allein – sein Herz ist erstarrt. Wie Steve McQueen und Michael Fassbender diesen Gegensatz von perfekter Oberfläche und defekter Psyche ausbalancieren, ist beeindruckend. Zwischen Eleganz und Kälte, Sehnsucht und Sucht entfalten sie einen Charakter, dem man zunehmend sein Mitgefühl entgegenbringt, und der doch vor allem ein Stellvertreter für die Entwicklung unserer westlichen Gesellschaft ist. Mit Carrey Mulligan („Drive“) als emotionales Gegenstück zu ihrem Bruder Brandon, einer klugen Musikauswahl und einer visuellen Klarheit haben die beiden einen würdigen und dennoch ganz unterschiedlichen Nachfolger zu „Hunger“ realisiert.
(Christian Meyer)
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Sterben
Start: 25.4.2024
Der Junge, dem die Welt gehört
Start: 2.5.2024
Zwischen uns das Leben
Start: 1.5.2024
Bad Director
Start: 9.5.2024
Robot Dreams
Start: 9.5.2024
Das Zimmer der Wunder
Start: 16.5.2024
Nightwatch: Demons Are Forever
Start: 16.5.2024
Furiosa: A Mad Max Saga
Start: 23.5.2024
Mit einem Tiger schlafen
23.5.2024
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
Golda – Israels Eiserne Lady
Start: 30.5.2024
May December
Start: 30.5.2024
Führer und Verführer
Start: 11.7.2024
Love Lies Bleeding
Start: 18.7.2024
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
The Monk And The Gun – Was will der Lama mit dem Gewehr?
Start: 1.8.2024
Alien: Romulus
Start: 15.8.2024
Das Licht
Start: 17.10.2024
Hagen
Start: 31.10.2024
„Versagen ist etwas sehr Schönes“
Regisseur Taika Waititi über „Next Goal Wins“ – Gespräch zum Film 01/24
„Ich muss an das glauben, was ich filme“
Denis Imbert über „Auf dem Weg“ – Gespräch zum Film 12/23
Sieben Spitzenprämien-Gewinner
Kinoprogrammpreis-Verleihung in der Wolkenburg – Foyer 11/23