
Über uns das All
Deutschland 2011, Laufzeit: 88 Min., FSK 12
Regie: Jan Schomburg
Darsteller: Sandra Hüller, Georg Friedrich, Felix Knopp, Kathrin Wehlisch, Valery Tscheplanowa, Stephan Grossmann, Aljoscha Stadelmann, Piet Fuchs
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Drama vom Verlust eines Lebens und einer Liebe
Keine Gewissheiten
„Über uns das All“ von Jan Schomburg
Sie führen seit Jahren eine gute Beziehung: Martha (Sandra Hüller) und Paul (Felix Knopp) leben in einer gemeinsamen Wohnung. Ihre Spielchen lassen erahnen, dass sie sich gut kennen. Dahinter scheint aber auch viel Unsicherheit auf. Wie wenig Martha von Paul weiß, erfährt sie erst, als er verschwindet, und sich alle Eckdaten seines Lebens mit ihm auflösen. Als dem angehenden Mediziner sein Doktorvater eine Stelle in Marseille anbot, hatte Paul die Chance, die Karriereleiter hochzuklettern. Martha war begeistert, war Paul doch seit seiner Abschlussarbeit, die am Institut als Meilenstein bewertet wurde, ohne Anstellung. Die Englischlehrerin sah keine Probleme, dort ebenfalls einen Job zu finden. Paul reiste vor, Martha, die inzwischen ihre Stelle als Lehrerin aufgegeben hatte, wollte eine Woche später nachreisen. In den folgenden Tagen konnte sie ihn nicht mehr auf dem Handy erreichen. Sie hörte solange nichts mehr von ihm, bis ein paar Tage später zwei Polizisten vor ihrer Tür standen.
Mit dem Verlust von Paul droht Martha nun in ein großes Loch zu fallen, das umso größer wird, je mehr sich herausstellt, dass es den Paul, den sie zu kennen glaubte, gar nicht gab. An der Uni erinnert sich niemand an ihn, und irgendwie waren alle Freunde gemeinsame Bekannte des Paars. Ein eigenständiges Leben von Paul scheint es nicht gegeben zu haben, und ihr wird allmählich klar, dass sie eigentlich nichts von ihrem Mann weiß. Martha droht, den Halt zu verlieren. Doch als bei einer ihrer Stippvisiten an der Universität Alexander (Georg Friedrich) kennen lernt, erkennt sie viel von Paul in ihm.
Jan Schomburg ist ein erstaunliches Debüt gelungen, das kaum spürbar zwischen Realismus und Surrealismus schwankt, zwischen emotionalem Schock und Heiterkeit. Mit „Über uns das All“ wirft er existentielle Fragen auf, die um die Gegensätze Sicherheit und Enge, Freiheit und Angst kreisen. Sandra Hüller spielt die breite Palette der emotionalen Extremsituationen ebenso exzellent wie zuletzt in „Brownian Movment“ von Nanouk Leopold oder ihre Darstellung der Michaela Klingler in dem Exorzismusdrama „Requiem“ von Hans-Christian Schmid (2006). Wie man wohl tatsächlich reagiert, wenn die Polizei mit einer entsetzlichen Nachricht vor der Tür steht, das könnten gestandene TV-Krimi Regisseure von Jan Schomburg und Sandra Hüller lernen. In Fernsehkrimis ist dafür kein Platz – aber Jan Schomburg nimmt sich in seinem Film gerade für solche Momente den nötigen Raum. Sein Debüt erschöpft sich aber nicht in einer emotionalen Tour de Force. Heitere und absurde Momente finden in seinem Drama über die Liebe und ihre Austauschbarkeit ebenfalls Platz. Und so werden die verstörenden Augenblicke des Schreckens immer wieder aufgefangen in leichtfüßigen Szenen. Das einzige, was in Jan Schomburgs Kinodebüt keinen Platz hat, sind Gewissheiten.
(Christian Meyer)

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