Ein Hubschrauber hat in schwindelerregender Höhe den Meisterdieb Nemo (Willem Dafoe) auf einer Terrasse abgeworfen. Nach der Landung macht er sich gleich an die Arbeit: die Terrassentür und die damit verbundene Alarmanlage werden geknackt – und schon findet sich Nemo in einem unglaublich luxuriösen Penthouse wieder: die Decke ist beeindruckend hoch, die Einrichtung streng und offensichtlich sehr teuer. Auch die kühlen Betonwände sind stilvoll, aber Interesse zeigt Nemo nur an den Bildern, die daran befestigt sind. Drei Bilder von Egon Schiele soll er für seine Auftraggeber stehlen. Zwei sind schnell gefunden, das dritte, ein Selbstporträt, hängt allerdings nicht an der vermuteten Stelle. Eine kurze Suche endet ergebnislos. Ihm bleiben nur noch wenige Minuten, bis ihn der Hubschrauber wieder abholt, da geht die Alarmanlage los und alle Türen und Fenster schließen sich. Nemo, der überall hineinkommt, kommt jetzt nicht mehr raus. Er sucht zunächst nur nach Fluchtmöglichkeiten, dann nach lebens- und überlebensnotwendigen Dingen. Der komplett in den Kölner MMC-Studios gedrehte „Inside“ ist nach dem Dokumentarfilm „My Friend Larry Gus“ aus dem Jahr 2016 erst der zweite Kinofilm des griechischen Regisseurs Vasilis Katsoupis, der bislang vor allem Werbung und Musikvideos gedreht hat. Wie auch die Werke seiner Landsleute Giorgos Lanthimos („The Lobster“) oder Athina Rachel Tsangari („Chevalier“) hat sein Film einen düsteren, fatalistischen Grundton. Aber auch bei ihm sind spielerische Momente sehr präsent. Die bringt zum einen der großartige Willem Dafoe als One-Man-Show auf die Leinwand. Die finden aber auch durch die Objekte – nicht zuletzt die Kunstwerke – des sorgsam ausgestatteten Kammerspiels in den Film. Das Bedeutungsnetz, das hier geknüpft wird, kann einen noch lange nach dem Abspann beschäftigen.
Ein Bankerteam unter Leitung der selbstbewussten Linda (Lavinia Wilson) steht kurz vor einer Bewertung durch die Compliance-Abteilung, nach der moralisch nicht integre Mitarbeiter vermutlich mit einer Kündigung zu rechnen haben. Um den Zusammenhalt in ihrem Team zu stärken, hat sich Linda mit ihren Mitarbeitern Bernhard (Serkan Kaya), Andreas (Tom Schilling), David (David Kross) und Jim (Jürgen Vogel) auf einen abgelegenen schottischen Landsitz zurückgezogen. Als Coach fungiert die junge Rebecca (Svenja Jung), während Köchin Helen (Annette Frier) für das leiblich Wohl der Gruppe sorgen soll. Als schon kurz nach der Ankunft der Lieblings-Pfau des Hausherren Lord Macintosh (Philip Jackson) tot in der Einfahrt liegt, geraten die Banker ins Schwitzen. Linda lässt den Vogel gemeinsam mit David verschwinden, da sie glaubt, ihr Hund hätte den Pfau getötet. Aber damit haben die Probleme auf dem Anwesen gerade erst angefangen. Sobald die zentralen Figuren etabliert sind, entwickelt sich „Der Pfau“ von Lutz Heineking jr. zur amüsanten Agatha-Christie-Hommage und Sozialstudie. Der schottische Landsitz liefert ein mehr als angemessenes Setting, an dem man sich im Kinosessel kaum sattsehen kann.
Seit vielen Jahren widmen sich die Filme des japanischen Regisseurs Hirokazu Kore-eda der Idee Familie. Auch in seiner humanistischen Komödie „Broker - Familie gesucht“ blickt der Regisseur auf die Familie und überlegt, was und wie sie sein kann: Im strömenden Regen geht die junge Mutter So-young mit wackeligen Knien eine steile Straße bis hinauf zu einer Kirche. Dort legt sie ein Bündel auf den überdachten Boden – vor, nicht in die Babyklappe der Kirche. Zwei Frauen beobachten sie von einem Auto aus. Die eine nimmt das Baby vom Boden auf und legt es in die Klappe, die andere verfolgt die Frau. Im Inneren der Kirche nehmen ein älterer und ein jüngerer Mann das Baby in Empfang. Sie löschen das Video der Überwachungskamera und fahren mit dem Baby weg. Während die beiden Frauen im Auto die beiden Männer beobachten, versucht die junge Mutter am nächsten Tag ihr Baby zurückzuholen – doch in der Kirche weiß man nichts von einem in der Klappe abgegebenen Kind. Nach diesem verwirrenden Intro werden sich die Wege aller Beteiligten schon bald wieder kreuzen. In „Broker“ gibt es keine einzige „normale“ Familie. Eine biologische Familie, die – gut oder schlecht – zusammenlebt, existiert in Kore-edas Film nicht. Stattdessen gibt es Menschen, die ihre Kinder loswerden wollen, gerne Kinder hätten, die Kinder anderer Leute klauen.
Au0erdem neu in den Kinos in Wuppertal und Umgebung: David F. Sandbergs etwas anderes Superheldenabenteuer „Shazam! Fury of the Gods“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Jazzig und persönlich
Singer-Songwriterin Inga Lühning in der Bandfabrik – Musik 07/25
Glück gehabt?
Die Filmstarts der Woche
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Nach dem Beton
Teil 1: Leitartikel – Warum wir bald in Seegräsern und Pilzen wohnen könnten
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Chaos
NRW kürzt bei freien Tanzgruppen – Tanz in NRW 07/25
Eine große Ausnahme
Der Pianist Alexandre Kantorow in Wuppertal – Musik 06/25
Wütende Stimme der Vielen
Deutsche Erstaufführung der Kammeroper „Thumbprint“ im Opernhaus – Bühne 06/24
Mit Wagners „Ring“
Die kommende Spielzeit des Sinfonieorchesters Wuppertal – Musik 06/25
Lebendige Musikgeschichte
Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller in Köln – Klassik am Rhein 06/25
„Kein ausschließlich apokalyptischer Nachklang“
Kuratorin Katja Pfeiffer über „Do worry, be happy“ in der Kunsthalle Barmen – Sammlung 06/25
Der Engel der Geschichte
„Die letzten Tage der Menschheit“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Drei durch die Epochen
Trio Manza im Zentrum Emmaus – Musik 06/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Dem Himmel nah
Raimund Abraham auf der Raketenstation Hombroich – Kunst in NRW 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Magische Momente
Cat Power im Düsseldorfer Capitol Theater – Musik 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
„Das passiert natürlich auch ganz nah“
Regisseurin Katharina Kastening über „Thumbprint“ am Opernhaus – Premiere 06/25
Verbunden für die Gesundheit
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Selbsthilfe-Kontaktstelle unterstützt Bürgerengagement
Die Suche nach der Seele
„Rusalka“ in Düsseldorf – Oper in NRW 06/25
Neugier auf Neues
Johanna Summer und Malakoff Kowalski in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 06/25
Wenn der Shareholder das Skalpell schwingt
… und der Patient zur Cashcow wird – Glosse
Ausgefallene Begegnung
Herbert Grönemeyer dirigiert in Bochum und Essen – Klassik an der Ruhr 06/25