Ein Wanderjahrmarkt im Jahr 1939, irgendwo im Hinterland der USA: Stanton 'Stan' Carlisle (Bradley Cooper), gleichermaßen ausgestattet mit gutem Gedächtnis und krimineller Energie, will seine zerrüttete Vergangenheit hinter sich lassen und heuert bei dem Direktor der Schausteller-Gemeinde (Willem Dafoe) an. Tarot-Kartenlegerin Zeena (Toni Collette) nimmt sich seiner an, Stan beobachtet und lernt. Als Meister der Manipulation und mit der hübschen Molly (Rooney Mara) an seiner Seite verzeichnet er schon bald als Mentalist Erfolg und Umsatz, was ihm schließlich Zugang zur High Society verschafft. Dort zählt wenig später auch der Tycoon Ezra Grindle (Richard Jenkins) zu seinen zahlungsfreudigen Klienten. Und er begegnet der mysteriösen Psychoanalytikerin Lilith (Cate Blanchett), die ihn durchschaut und mit der er sich eine Zusammenarbeit ausmalt. Lilith geht einen verhängnisvollen Deal mit Stan ein. Eine bunte, karge Schaustellerwelt, gebrochene Figuren, Schein und Sein, menschliche Abgründe – die Romanvorlage von William Lindsay Gresham aus dem Jahr 1946 scheint wie geschaffen für den filmischen Kosmos des Guillermo del Toro. Über die erste Hälfte von „Nightmare Alley“ breitet der Regisseur seine ganze inszenatorische Sogkraft aus, wirft Staunen und Grauen gleichermaßen auf die Leinwand. In der zweiten Hälfte ändert sich die Tonalität des Dramas, das immer mehr zum Thriller geriert. Cate Blanchett gibt dabei meisterlich die Femme Fatale mit der körperlichen Anmut einer Gottesanbeterin. Del Toro erzählt von der Verlorenheit des Einzelnen und der Heilung in der Gemeinschaft. Von der Sehnsucht nach Liebe. Von Aufstieg und Fall, von Vertrauen und Verrat, von Manipulation und Selbsttäuschung. Und von dem Zauber, den wir Menschen lieben. In der Manege, auf der Bühne – und im Kino.
Christin ist Mitte zwanzig und wohnt mit ihrem gleichaltrigen Freund Jan bei dessen Vater auf dem Bauernhof. In Jan mag sie einmal verliebt gewesen sein, das Leben auf dem Hof hat sie wahrscheinlich schon immer gehasst. Mit Hot Pants und bauchfreien Tops versucht sie in Sabrina Sarabis gelungenem „Niemand ist bei den Kälbern“ bei jeder Gelegenheit, diesem Leben zu entfliehen. Ein nebenan arbeitender Techniker für Windräder aus Hamburg könnte diese Gelegenheit sein. Wortkarg irrt Christin, zugleich getrieben und lethargisch, glaubwürdig gespielt von Saskia Rosendahl, durch die Landschaft, die trotz ihrer Schönheit wie ein riesiges Freiluft-Gefängnis wirkt. Es müsste erst etwas ganz besonderes passieren in dieser so detailreich geschilderten Langeweile, damit sich die Protagonistin überhaupt erst einmal ein anderes Leben vorstellen kann.
Das Digitale ist unsinnlich, es schmeckt und riecht nicht. Aber der chemische Geruch eines Polaroidfotos, das Rascheln einer Fluse auf Vinyl, die schwer gängigen Bedienknöpfe eines alten Telefons, das fehlt uns, den analogen Menschen, besonders vielen Retrofans unter 25. Und „Doc“ Florian Kaps. Der Wiener kaufte 2008 die Polaroid-Produktionsstätte in Enschede und bewahrte sie so vor dem Abriss.Ihm fehlte aber Geld, ein Businessplan und vor allem: die chemische Formel für die Instantfotografie. „An Impossible Project“ zeigt neun Jahre dieses Vorhabens bis zur tatsächlichen Rettung – und eine Reihe anderer unmöglicher „Digital Detox“-Projekte. Die leidenschaftliche und chaotische Hauptfigur und die zahlreichen analogen Schätze verleihen dem (analog auf 35mm gedrehten) Film einen ganz eigenen Charme.
Außerdem neu in den Kinos in und um Wuppertal: Mika Kaurismäkis trauriger Männerfilm „Eine Nacht in Helsinki“ und Garth Jennings' und Christophe Lourdelets Animationsfilm „Sing – Die Show deines Lebens“.
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