2019 stand in Rainer Kaufmanns Kammerspiel „Und wer nimmt den Hund?“ ein Paar nach über 25 Jahren vor den Scherben seiner Ehe. In „Weißt du noch“ haben es Marianne (Senta Berger) und Günter (Günther Maria Halmer) bereits auf über 50 Jahre gebracht. Die Scherben indes, auf denen sie stehen, sind die Scherben des gemeinsamen Ruhestands: Während sich Marianne mit Dauerprogramm geradezu übereifrig ans Leben klammert, gibt sich Günter desillusioniert und verliert sich in Unmut, Empörung und Selbstmitleid. Dazu kommt noch, dass beide zunehmend vergesslich werden. Als Kumpel Heinz (Kurzauftritt Konstantin Wecker) Günter zwei Pillen zukommen lässt, deren Einnahme verlorene Erinnerungen zurückholt, bereiten sich die zwei verzankten Liebenden einen ganz besonderen Hochzeitstag. Schon wieder liefert Rainer Kaufmann, seit „Stadtgespräch“ von 1995 gestandener Film- und Fernsehregisseur, ein Kammerspiel. Ein Boulevardstück, oder besser: ein Science Fiction-Boulevardstück, denn die Pillen, die das Paar zurück ins Leben holen, die gibt es leider (noch) nicht. Sobald die Pillen geschluckt sind und erste ferne Erinnerungen zurückkommen, wechselt „Weit du noch“ spürbar seine Gangart und löst den anfänglich seichten Humor durch Tiefgang und Ernsthaftigkeit ab. Die Charaktere gewinnen spürbar an Profil, die zwei Akteure agieren zunehmend gelöst. Kaufmann kriegt die Kurve – und wie: Die gewonnene Erinnerung wird Motor eines Dialogs, der die Erwartung ans Leben diskutiert, das Verhängnis des nicht Ausgesprochenen, die Angst vorm und die Ansprüche ans Leben. Ein berührendes, ehrliches Drama, das mit steigendem Alter schmunzelnd Wiedererkennungswert bietet.
Chiara und Antoine sind verheiratet, Mitte 40, leben auf einer französischen Atlantikinsel und sind Fischer:innen. Ein zufriedenes Leben, integriert in die Gemeinschaft. Der neue Azubi Maxence, selbstsicher und charmant, kommt aus der Bourgeoisie, doch macht sich bei der harten Arbeit gut. Chiara ist geschmeichelt von seinen Blicken und bald gibt sie ihm nach. Amour fou-Filme sind eine selten gewordene französische Domäne. Die Version einer Affäre einer Frau mit einem Jungen funktioniert vor allem wegen der Natürlichkeit des Films und Cécile de France und Félix Lefebvre in den Hauptrollen. Auch wenn man „Wild wie das Meer“ anmerkt, dass er ein Langfilmdebüt ist und über Strecken absehbar, entwickelt er vor allem im letzten Akt erfreulich unerwartete Wendungen.
Außerdem neu in den Kinos in Wuppertal und Umgebung: Eric Besnards Glückssucher-Komödie „Die einfachen Dinge“, Michael Chaves' Schwestern-Spuk-Spektakel „The Nun 2“ und Scott Waughs Altmänner-Action „The Expendables 4“.
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