Eigentlich war er immer gegen die dekorativen Statussymbole, die aus außergewöhnlichen Kunstwerken immer auch Spekulationsobjekte gemacht haben. Und jetzt stehen sie da, seine acht abstrakten Skulpturen im postmodern glasgrauen Ausstellungkubus in Tony Craggs Skulpturenpark in Wuppertal, der selbst schon jede Anreise zum Vergnügen rechtfertigt. Dazu zwei draußen auf der Rasenfläche und zwei in der schicken Villa Waldfrieden nebenan.
Joan Miró war schon zu Lebzeiten Kunstmarkt-Mainstream, sein Symbole-Kanon breitenwirksam, alles konnte von jedermann assoziativ, fantasievoll wahrgenommen und gedeutet werden. Zu sehen sind jetzt Objekte des Spätwerkes, entstanden zwischen den Jahren 1970 und 1982. Gleich hinter dem Eingang des Ausstellungspavillons steht auf einem Sockel „Personnage Oiseaux“ (1977) ein kleines Auflagenobjekt aus Bronze, das zweifellos eine Vogelfigur darstellt, erkennbar am Kopf mit Schnabel aus dünnen Draht und dem verwirrenden, zweibeinigen Körper mit Auge, Mund und Ohr. Alles mit grüner Patina überzogen. Mächtiger ist da schon nebenan „Tête“ von 1974. Der Bronzekopf, auch eine Leihgabe des britischen Yorkshire Sculpture Park, durchbricht seine metallische schwere mit stilisierten Augen, Mund und Nase, die auch etwas Vogelhaftes haben, von sehr grotesken Ohren oder Extremitäten ganz abgesehen. Diese überbordende Formensprache, die doch immer wieder mit denselben Bausteinen arbeitet, erreicht die Menschen über alle Grenzen hinweg, auch an diesem Samstag sind im Park und im mittleren Pavillon viele Sprachen zu vernehmen.
Und Miró hat diese neuen Geschöpfe für alle erfunden, zum Teil mächtige Wesen ohne echte Sinnhaftigkeit, die aber dennoch die Welt und unsere Bezüge zu ihr immer noch nachhaltig verändern. Ganz wichtig ist immer die Rundung der Plastiken, denn bei ihm sind auch die Rücken sehenswert und dienen oft dem Verständnis. Im Mittelpunkt der Acht steht die dreibeinige Gipsform für einen Vogel (Oiseau, 1981), über zwei Meter hoch und später auch als Bronzeguss verwirklicht. Organische Formen, angedeutete Augen, aus jeder Blickrichtung wechselt das Tier Form und Haltung und als Clou steht die Skulptur auf einer alten abgenagten Holzplatte. Mehr geht nicht.
Joan Miró | bis 24.11. | Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal | 0202 47 89 81 20
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Aus der Fläche in den Raum
Jaana Caspary im Skulpturenpark Waldfrieden
Exo-Dimensionen der Sichtweise
Andreas Schmitten im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 12/22
Rituelles Blutrot auf formlosen Formen
Anish Kapoor im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 10/22
Artifizielles Müllrecycling mitten im Wald
„Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 07/22
Zufall und Zahnlücken
„Roll over Beethoven“ im Skulpturenpark – Musik 04/20
Abenteuer der abstrakten Kunst
Imi Knoebel im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 09/17
Heiter und glücklich in den Frühling
Das könnten fröhliche Entdeckungen in den kommenden Tagen sein – Prolog 03/17
Zur Erinnerung
Anne und Patrick Poirier im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 11/16
Freifuftmusiken im Sommer
Ansprechende Klänge in Wuppertal und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 08/16
Das große Gucken
Fußballübertragungen treffen auf Kultur – Prolog 07/16
Einladung zur perfekten Akustik
Wer Ohren hat, zu hören, kommt im Juni auf seine Kosten – Prolog 06/16
Körper und Form
Henry Moore im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 05/16
Poetische Energie
Franziska Holstein im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 05/23
Aus der Dingwelt
Jaana Caspary im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 04/23
Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23
Gegenwart der Traditionen
„Horizonte“ im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln – kunst & gut 02/23
Diskreter Charme von Rhein und Ruhr
Jenseits von 99 Luftballons: Hanns Friedrichs in Hagen
– kunst & gut 01/23
Todfeinde der Malerei
„Eine neue Kunst. Fotografie und Impressionismus“ in Wuppertal
– kunst & gut 11/22
Vom Umgang mit Kolonialkunst
Auftakt der Ringvorlesung „Res(t)ituieren“ im Kubus – Kunst 10/22
Die Schönheit der verhüllten Welt
Christo und Jeanne-Claude im Museum Kunstpalast Düsseldorf – Kunstwandel 10/22
Visionen zwischen Schein und Wirklichkeit
Zwei unterschiedliche Künstlerinnen im Osthaus-Museum
– kunst & gut 09/22
Seine Figuren erzählen keine Geschichten
„Metamorphosen des Körpers“ im Von der Heydt-Museum
– kunst & gut 08/22