Der Skulpturenpark Waldfrieden ist ein Glücksfall für Wuppertal. Und dass er seit einiger Zeit gleich zwei Ausstellungshallen beinhaltet, ist wiederum ein Glücksfall für die Künstler, die hier ausstellen. Aber so gut wie jetzt bei Imi Knoebel hat diese Zweiteilung noch nie geklappt. Der Düsseldorfer Künstler löst es grundsätzlich: Oben zeigt er eine frühe, auf die Glashalle hin arrangierte Installation aus Hartfaserelementen – den „Raum 19“ – und unten die neueren gegenstandsfreien Malereien auf Metallträgern. Vor allem mit den vermeintlich spröderen „Räumen“ wurde er berühmt. Mit seinen Farbfeldmalereien aber ist er bekannt. Mit beiden Bereichen gehört Imi Knoebel zu den bedeutendsten, angesehensten und aufregendsten abstrakten Künstlern der Gegenwart.
Imi Knoebel wurde 1940 in Dessau geboren. Zunächst studiert er an der Werkkunstschule Darmstadt, wo er Rainer Giese (1942-1974) kennenlernt, mit dem er sich IMI („Ich mit Ihm“) nennt. Gemeinsam mit Giese setzt er das Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie fort, ab 1965 in der Beuys-Klasse und 1966-69 in dem dortigen „Raum 19“. Erstmals 1968 entwickelt er hier mit baulichen Elementen – Flächen und Konstruktionen aus Hartfaserplatten – eine skulpturale Anhäufung einzelner Teile: im Grunde eine begehbare Skulptur, die sich zwischen Atelier und Arbeitsmaterialien, Versuchsanordnung und Depot verhält. Sie ist die erste Version der heutigen Wuppertaler Installation. Grundlage seines Gesamtwerkes ist die konstruktive Kunst in der Tradition des Bauhauses und mit Kasimir Malewitsch mit dem Schwarzen Quadrat. Der Umgang mit Flächen, die das geschlossene Rechteck aufbrechen, Schrägen beinhalten und Vielecke sind, kennzeichnet dann seine eigene Malerei, die er ab 1975 mit Buntfarben anfertigt. Ein Hintergrundrauschen seiner so sinnlich erfahrbaren Farbfeldmalerei und seiner bildhauerischen Formen mit den alltäglichen lapidaren Materialien ist die Kunst des Minimalismus.
Wie anregend die Bildlösungen von Knoebel bis heute sind, zeigt nun die Ausstellung im Skulpturenpark. Die Teile von „Raum 19“ betonen in ihrem Nebeneinander die Ausdehnung der oberen Ausstellungshalle. Angeschlossen ist am linken Rand die „Batterie“ (2005) rein aus Aluminiumflächen, die mit Nachtleuchtfarbe gestrichen sind. Zur Installation gehört auch die lässig verwischte Malerei von Weiß an den Fensterscheiben (die nach Anweisung von Knoebel von einem Handwerker ausgeführt wurde): Sie verdichtet den Raum weiter und schließt ihn nach außen hin ab, lässt das Licht aber hinein. Im Abschreiten der Hartfaserelemente lassen sich unzählige Details und Korrespondenzen feststellen, die Formbeziehungen und die Wiederaufnahme von skulpturalen Gedanken betreffen, die sich einige Meter zuvor finden. Zugleich werden fundamentale Feststellungen zum Wesen von Skulptur getroffen, etwa zum Lasten, Lehnen und Ruhen, zur Schichtung und Variation...
Ähnlich grundsätzlich und ähnlich variantenreich ist Knoebels Umgang mit der Malerei in der unteren Halle. Hier konzentriert er sich auf die Primärfarben und deren Auftrag mit dem breiten Pinsel. Die Bilder sind mehrteilig, wobei Imi Knoebel ein enormes Repertoire an malerischen Verfahren, aber auch Formzusammenhängen von der einfachen Überlagerung über das Aneinanderstoßen der Flächen bis hin zur Erweiterung in den Raum verwirklicht. So hat er eine Kabine errichtet, bei der die Farben noch auf den Aluminiumboden strahlen. Die Flächen der meisten Tafeln verfügen über horizontale Randstreifen, welche den vertikalen Farbfluss umfangen. Sie thematisieren aber auch die Berührungen und Überschneidungen der Farben. Auch hier ist alles fundiert, tritt dabei spielerisch und diszipliniert zugleich auf. Und wenn man dann von Bild zu Bild durch die Halle gelaufen ist, stellt man immer mehr Bezüge untereinander fest und erkennt die Komplexität der Abstraktion. Und darin liegen „Raum 19“ und die Malereien gar nicht so weit auseinander.
„Imi Knoebel – Bilder“ | bis 13.12. | Skulpturenpark Waldfrieden | 0202 4789 81 20
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