Auch in modernen Zeiten gibt es in Wuppertal noch Kinder, die in der Schule Hunger haben, weil sie sich kein Frühstück leisten können. Kinder, die nicht am sozialen Leben teilnehmen können, weil es kein Geld für Klassenfahrt und Sportverein gibt. Kinder, die froh sein können, wenn ihre Anziehsachen sie im Winter warm halten. Und von diesen Kindern gibt es viele. Im vergangenen Jahr stellte Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) fest, dass „jedes dritte Kind unter den Bedingungen von Armut aufwächst“.
Geht man von den aktuellsten Zahlen (12/2013) aus, wohnen in Wuppertal 28.740 Jungs und 27.157 Mädchen bis 18 Jahre. Leben davon ein Drittel in Armut oder an der Grenze, ergibt das die erschreckende Zahl von mehr als 18.000 Kindern. Zum Vergleich: Deutschlandweit zählt der Kinderschutzbund 19,4 Prozent der Kinder zu den Armen, das sind 2,5 Millionen Minderjährige.
Als arm gelten laut Stefan Kühn Menschen, die von Unterstützung nach dem Sozialgesetzbuch II leben. Im Volksmund ist dieses Sozialgeld bekannter als Hartz IV, es sichert das Existenzminimum. Das betrifft statistisch gesehen die Eltern von jedem vierten Wuppertaler Kind. Hinzu kommen die „working poor“; Menschen, deren Einkommen so gering sind, dass sie rund um das Niveau der Sozialhilfe liegen. In Sachen Kinderarmut sind für Kühn stets die Erwachsenen gefragt. „Kinder sind nicht per se arm oder reich, sondern ihre Eltern sind es“, sagt Kühn.
Gründe für die gestiegene Kinderarmut sind für den Sozialdezernenten in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit und die Niedriglöhne. Vor 25 Jahren gab es noch 145.000 Beschäftigte, heute sind es nur noch 115.000. „Wenn es gelingt, Arbeitsplätze zu sichern, ist das natürlich ein entscheidender Beitrag zur Bekämpfung von Armut“, sagt Kühn, der speziell vom Leid der Flüchtlingskinder bestürzt ist. „Was diese Kinder im Krieg an Grauen erlebt haben, das sich in Kinderseelen einbrennt, geht mich richtig an“, sagt Kühn.
Die Stadt hat Möglichkeiten, armen Familien zu helfen. Zum Beispiel durch das Bildungs- und Teilhabepaket, das 2011 in Kraft getreten ist. 2014 sind vier Millionen Euro geflossen. Gefördert werden unter anderem das Mittagessen an der Schule, die Mitgliedsbeiträge in Vereinen oder auch Nachhilfestunden. Für jedes Kind muss ein Antrag beim Jobcenter oder beim Sozialamt gestellt werden. Das Geld wird zweckgebunden überwiesen – im Beispiel der Mitgliedbeiträge gehen bis zu 120 Euro im Jahr direkt an die Vereine.
Drei weitere, wichtige Entscheidungen hat der Rat in diesem Jahr beschlossen. Konnte Wuppertal den gesetzlichen Betreuungsanspruch auf einen U3-Platz 2013 noch nicht erfüllen, soll die Zahl ausgebaut werden. Auch im offenen Ganztag der Grundschulen werden in diesem und im kommenden Jahr je 250 Plätze geschaffen. Und auch in der Schulsozialarbeit freut sich Stefan Kühn darüber, dass nach langem Ringen 40 Arbeitsplätze erhalten bleiben können.
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