Schon im Sommer gaben sich die beiden Ausnahmemusiker Till Brönner und Sergei Nakariakov ein Stelldichein, zwei Meister der Trompetenkunst trafen sich zum Crossover-Konzert zwischen Jazz und Klassik. Beide sind „Echo“-Preisträger, allerdings auf verschiedenen Baustellen. Till Brönner hat den amerikanischen Komponisten und Tastenvirtuosen Gil Goldstein eingeladen, diese ungewöhnliche Begegnung zu arrangieren – in musikalischem Sinne, versteht sich: Er schrieb die speziellen Bearbeitungen für diesen besonderen Bläserabend.
Legendär sind die Ausflüge von Wynton Marsalis (Jahrgang 1961), der lebenden amerikanischen Jazztrompeten-Legende, der sich die barocken Hochleistungskonzerte als junger Mann erschloss – obwohl er in einer hochkarätigen Jazzer-Familie groß wurde. Der zehn Jahre jüngere Till Brönner erkannte schnell, dass der Jazz seine Sprache war. Und er fiel besonders früh auf dem Flügelhorn auf, das er mit jungen Jahren technisch versiert beherrschte wie kein anderer in Deutschland.
Nakariakov wollte eigentlich Pianist werden, konnte aber nach einem Autounfall nicht mehr richtig lange sitzen. Er wechselte mit neun Jahren zur Trompete – mit zehn Jahren konzertierte er bereits öffentlich. Auch für den Russen wurde das Flügelhorn zum unverwechselbaren Markenzeichen, er annektierte mit diesem baritonal ausgerichteten Instrument die Literatur für Cello – in seiner Perfektion des warmen, leichten, beinahe plätschernden Tones stellt sich beim Hörer schnell der Paganini-Effekt ein: Die Leistung wirkt unglaublich.
Nachdem sich Brönner intensiv der Pop-Musik und sehr erfolgreich einigen Casting-Shows zugewandt hatte, ist es wirklich erfreulich, ihn nun auf ebenso abenteuerlichen Pfaden des Crossovers zur Klassik zu erblicken. Da beide Musiker wirklich sensationelle Instrumentalisten sind, können diese in ganz Deutschland präsentierten Ergebnisse nur ein Ziel erreichen: Die Popularität des bestangezogenen Jazzmusikers mit Mode-Ambitionen in den Dienst guter Musik zu stellen, egal ob es sich um klassische Vorlagen, Tango oder Jazzstandards handelt. Und den jungen Menschen zu zeigen, dass auch in der klassischen Welt der Interpreten so fantastisch und hinreißend faszinierende Musikanten existieren, die einfach nur durch die Beherrschung ihres Instruments verzaubern können. Nakariakov zeigt, wie ein Virtuose ganz ohne Froschbacken eines Dizzy Gillespie oder die gestemmten Spitzen eines Jon Faddis sein Instrument völlig natürlich zwitschern lassen kann. Der Ton läuft praktisch aus dem Schalltrichter, die Lippen berühren kaum das Kesselmundstück. Das ist tatsächlich Magie.
Brönner / Nakariakov | Di 10.12. 20 Uhr | Dortmund | www.konzerthaus-dortmund.de
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