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„All You Need Is Cheese“
Foto: Meyer Originals

Schlager sind Trumpf

23. April 2020

Fetzige Jukebox-Musical in Köln und Aachen – Musical in NRW 04/20

Anders als bei dem 2018 und 2019 im Kölner Urania Theater, in musikalisch unterschiedlichen Versionen, uraufgeführten „Sherlock“-Musicals handelt es sich bei „All You Need is Cheese“ um eines jener „Jukebox-Musicals“, in denen bekannte Songs in eine (meist dürftige) Rahmenhandlung eingeflochten werden. Das schlicht-funktionale Bühnenbild von Stefan Maria Jung – ein Raum mit sechs Türen – lässt schon ahnen, wohin die Reise geht: direkt in den Boulevard, wo ja die Türen genauso „knallen“, wie die Pointen. Eigentlich! Leider bekommt Bettina Montazem (Buch und Regie) das Komödien-Timing nicht so richtig in den Griff, sodass sich ihre spielfreudigen Protagonistinnen (Simone Appelt, Lea-Johanna Montazem, Rachel Tedder, Catherine Chikosi, Marie-Sophie Hammer) und die vierköpfige Live-Band mit Verve auf die Musical-Elemente stürzen: Die Frauen wollen ein Restaurant mit singenden Kellnerinnen eröffnen, haben aber ein Problem: keine, ausser der Köchin, kann wirklich singen. Da die Handlung im Heidelberg der 50er Jahre spielt, gibt es von deutschen Schlagern („Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann“) über Hollywood-Filmsongs („Que sera sera“) bis hin zu Broadway-Melodien („Ich hab’ getanzt heut’ Nacht“) ein breites Potpourri zu hören, dass auch schon mal aus späteren Jahren (!?) stammt. Ein Beamter (Jürgen Sieger), der die fehlende Schanklizenz bemängelt und Gefühlswirrwarr ins Damen-Quintett bringt, entpuppt sich happyendlich als veritabler Elvis-Verschnitt: Ein unterhaltsamer Abend mit Nostalgie-Potential für das reifere Publikum. Allerdings hätte man sich eine zupackendere Choreografie gewünscht, als sie der, vom Landestheater Detmold kommenden, Dwayne Holiday eingefallen ist. So meint man letztlich eher einer lebendig gewordenen LP zuzuschauen und zuzuhören, als einem Musical.

Auch im Aachener DasDa-Theater steht ein Jukebox-Musical auf dem Programm. Nachdem Tobias Steffen und Tine Scheibe schon in „Linie 1“ und „I love you, you´re perfect, now change“ ihr Talent bewiesen haben, haben ihnen nun Intendant Tom Hirtz und Regisseurin Maren Dupont „Auf und davon“ auf den Leib geschrieben. Erzählt wird die Geschichte eines jener Bilderbuch-Tramper mit Gitarre (die Tobias Steffen genauso perfekt beherrscht, wie sein beredtes Minenspiel), der von Layla (Tine Scheibe, die das Musical offensichtlich mit der Muttermilch eingesogen hat) in ihrem alten VW-Bulli aufgegabelt wird. Beide wollen zur sprichwörtlichen Selbstfindung in den Süden. Nur mühsam entlockt Layla ihm seinen Namen: Leon - um ihn sofort mit „The Lion Sleeps Tonight“ zu umgarnen. Doch er verweist humorlos darauf, dass er nach dem Film „Leon – Der Profi“ benannt wurde. Langsam lockert sich die Stimmung im, von Bühnenbildner Frank Rommerskirchen in der Bühnenmitte platzierten, echten VW-Bulli. Als sie „We Will Rock You“ anstimmen, hält es das Publikum schon nicht mehr auf den Sitzen. Angekommen auf Europas höchster Düne ist auch zwischen dem ungleichen Paar das Eis gebrochen. Das Glück wird jäh unterbrochen, als Laylas frühere Geliebte Micha (Alina Arenz: eine charismatische Erscheinung, der man immerzu in die ausdrucksstarken Augen blicken möchte) auftaucht und das „Road Musical“ ins Stocken gerät. Dafür harmonieren Layla und Micha wundervoll bei Nina Hagens DDR-Hit „Du hast den Farbfilm vergessen“, den Josephine Wirtssohn voller Verve choreografiert hat. Am Ende gibt es doch noch ein Happyend: wer mit wem wird hier nicht verraten. Wohl aber, dass wir uns in der nächsten Spielzeit auf ein „echtes“ Musical mit den Dreien freuen können, das Christoph Eisenburger mit seiner fetzigen Band auch wieder live begleiten wird.

Beide Theater sind geschlossen bis inklusive 20. April.

Rolf-Ruediger Hamacher

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