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Volkmar Kah
Foto (Ausschnitt): Karsten Schöne

„Nicht das Verteilen von Papier, sondern Journalismus fördern“

28. August 2025

Teil 1: Interview – Der Geschäftsführer des DJV-NRW über die wirtschaftliche Krise des Journalismus

engels: Herr Kah, wie erleben Sie Einsparungen in den Redaktionen?

Volkmar Kah: Das ist ein sehr altes Thema, das hat schon in den Nullerjahren dieses Jahrtausends begonnen. Zuerst im Lokalen, als sich insbesondere Tageszeitungen aus der Fläche zurückgezogen haben. In den letzten zehn Jahren hatten wir dann schon eine Konzentration, auch im Bereich der Mantelproduktion. Eigentlichhaben wir in Deutschland nur noch drei bis vier große Anbieter, die die Mantelseiten für fast alle Tageszeitungen machen. Auch da erleben wir einen Verlust von Medienvielfalt. Wir haben in NRW das große „Glück“, dass wir beispielsweise mit der Rheinischen Post und mit Funke noch Medienhäuser haben, die ganz klassisch ihre eigenen Mantelredaktionen haben. Der Trend geht weg vom gedruckten Produkt, hin zu digitalen Informationen. Die Medienhäuser kommen aus einer Zeit, in der sie das Geld mit dem Sattelschlepper vom Hof gefahren haben. Wir reden bis etwa Ende 2020 von Renditen im Bereich von 20 Prozent. Das trifft auch auf die großen privaten Rundfunksender zu. Davon können der deutsche Mittelstand und die Industrie nur träumen. In der Vergangenheit wurde dort ganz, ganz, ganz viel Geld verdient und man hat an vielen Stellen versäumt, sich auf die Zeiten einzustellen, wenn das nicht mehr so ist.

Verlust von Medienvielfalt“

Das muss stimmen, es steht ja in der Zeitung“ hieß es früher. Heute kann grundsätzlich jeder digital eine Reichweite aufbauen, die früher großen Medien vorbehalten war.

Der Satz stimmt heute immer noch, denn sowohl die Zeitungen als auch der Rundfunk unterliegen ja einer Regulierung. Es gibt den Presserat, Landespressegesetze, das Recht auf Gegendarstellung etc. pp. Die redaktionelle Unabhängigkeit ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesetzlich verankert und im privaten Rundfunk gibt die Aufsicht der Medienkommission. Das ist der große Vorteil von Journalismus: Korrektur oder Aufsichtsstrukturen stellen sicher, dass am Ende stimmt, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen läuft – oder es korrigiert werden muss. Ja, im Internet kann jeder eine große Öffentlichkeit erreichen. Was macht das mit unserer Gesellschaft? Es gibt ein spannendes Projekt der Uni Duisburg/Essen mit der Uni Bochum, das Center for Advanced Internet Studies (CAIS). Die haben schon vor ein paar Jahren präzise herausgearbeitet, dass die Verfügbarkeit von mehr vermeintlichen Informationen nicht zu einer informierteren Gesellschaft führt. Da liegt die dreiteilige Aufgabe: Zum einen die Regulierung solcher Plattformen, sie in die Haftung zu nehmen für Fake News. Dann gilt es, ein Level Playing Field für etablierte Medien zu schaffen, als Gegenpol zu den mächtigen Plattformen. Das dritte ist ganz klassisch Medienbildung. Wir müssen darauf achten, dass der mündige Bürger nicht nur technisch mit dem Handy umgehen kann, sondern in der Lage ist zu unterscheiden, wo Informationen herkommen. Das ist eine Aufgabe, die wir als Gesellschaft im Bereich der Bildung haben.

Aufsichtsstrukturen stellen sicher, dass am Ende stimmt, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen läuft“

Demokratie braucht freie Presse. Wie steht es um deren Finanzierung?

Ich glaube schon, dass man auch die etablierten Konstrukte stützen muss. Wir brauchen Journalismus-Förderung. Wir als DJV sagen aber, man kann nur dann fördern, wenn journalistische Strukturen vorgehalten werden. Wir wollen nicht das Verteilen von Papier, sondern Journalismus fördern. Das funktioniert auch, internationale Beispiele gibt es genug. Gleichzeitig müssen wir neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Eine Initiative aus NRW heraus ist das Thema Gemeinnützigkeit für Journalismus. Man muss gucken, dass man Nischenprodukten andere Möglichkeiten der Refinanzierung gibt.

Journalismus in Deutschland ist publizistisch so gut aufgestellt wie lange nicht mehr“

Wie sehen Sie auf die Branche, etwa auf Initiativen wie Correctiv?

Der Journalismus in Deutschland ist publizistisch so gut aufgestellt wie lange nicht mehr. Und das liegt auch, quasi absurderweise an diesem Internet, das auf der anderen Seite so viel Sorgen macht. Sie haben Correctivangesprochen, ich nehme jetzt mal den NordstadtBlogger in Dortmund oder in Düsseldorf VierNull. Es gibt zunehmend solche Projekte, weil die Grundkosten für das Verbreiten von Informationen nicht mehr so hoch sind, die Macher mit weniger Remanenzkosten auskommen. Das macht mir Hoffnung. Auch darauf, dass wir in der Fläche weitere Modelle etablieren können. Correctiv zum Beispiel ist gemeinnützig, weil sie viel im Bereich Bildung machen. Wenn wir überhaupt den Journalismus in die Gemeinnützigkeit bekämen, hätten wir ganz andere Refinanzierungsmöglichkeiten. Dann können die Leser sagen, ihr lokales, gemeinnütziges Blog ist ihnen eine Spende wert und sie können die sogar von der Steuer absetzen.

Interview: Daniela Prüter

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