Der Bericht ist da. Nach einem Jahr Ermittlungen haben zumindest Union und SPD ihre Sicht der Dinge geschildert. 75 Seiten, die Verteidigungsministerin a. D. Ursula von der Leyen zwar kritisieren, aber nur teilweise direkt für die Vorgänge verantwortlich machen. Sie habe „kaum eine Entscheidungsvorlage (…) selbst gezeichnet“, so der Bericht.
Klar ist, dass es im „System von der Leyen“ zur unkontrollierten und rechtswidrigen Vergabe von Aufträgen an externe Berater kam, die Millionensummen verschlangen. Dem nachzugehen war keine leichte Aufgabe für den Untersuchungsausschuss, denn die meisten der 41 befragten Zeugen litten unter „kollektivem Gedächtnisschwund“, wie es FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann formulierte. „Der Ausschuss hält es für bedenklich, dass das BMVg bei so schwerwiegenden Vorwürfen kein hinreichendes Aufklärungsinteresse entwickelt hat“, heißt es im Bericht. Auch das Löschen der Daten von von der Leyens Diensthandy hatte die Ermittlungen erschwert.
Nachvollziehbarer ist, wie es dazu kam: Von der Leyen übernahm das BMVg 2013 in desolatem Zustand. Nach 25 Jahren des Verkleinerns bestand die Truppe aus nur noch 180.000 aktiven Soldaten – zu Ende des Kalten Krieges waren es 500.000. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands André Wüstner mahnte, sie sei nur „bedingt einsatzbereit“. Es fehlte an allem, immer wieder machte nicht funktionierendes Gerät Schlagzeilen. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen drastisch: „Die Welt steht in Flammen, alles ruft nach mehr Soldaten und deswegen ist es jetzt wichtig, dass die Politik die Prozesse des Aufwuchses beschleunigt“, so Wüstner damals. Auch der Bundestag drängte. Es musste schnell gehen.
Ziel der Ministerin war es, die Bundeswehr „vom Kopf wieder auf die Füße“ zu stellen. 18.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte sollten dazukommen. Vor allem das stark verrechtlichte Beschaffungswesen – fünf Jahre brauchte damals ein neues Produkt, bis es einsatzbereit war – musste effizienter werden. Diese Aufgabe sowie den Aufbau einer IT-Abteilung sollte die Beraterin Katrin Suder erledigen, die von der Leyen bereits im Arbeitsministerium zur Hand ging. Für ein großes IT-Projekt holte Suder Timo Noetzel, einen Freund aus McKinsey-Zeiten, ins Boot. Um die schwerfälligen Prozesse im BMVg zu beschleunigen, entschied sich die Gruppe um Suder, Ausschreibungen zu umgehen und vor allem mithilfe des Rahmenvertrags 20237 – eigentlich nur für IBM-Dienste gedacht – Aufträge an externe Beratungsfirmen wie Noetzels Arbeitgeber Accenture zu vergeben. Abgerechnet wurde immer nur nach Höchstsätzen: 1.500 oder 1.700 Euro pro Tag. Noetzel „nutzte dabei seine Kontakte ins BMVg (…), um Accenture konkurrenzlos in diesem Projekt zu positionieren“, so der Bericht.
Geprüft wurde es nicht. Von Druck, hohem Arbeitspensum und „System der Angst“ wurde berichtet. Die Beamten hatten keinen Überblick, das neu geschaffene Compliance-System funktionierte nicht. Am Ende waren 98 Prozent der vom Bundesrechnungshof geprüften Auftragsvergaben fehlerhaft.
Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner formulierte es zu Ende der Ermittlungen so: „Wir haben (…) gelernt, wie man eine Menge Steuergeld verpulvern kann, indem man Beratungsunternehmen wie die Zauberlehrlinge daransetzt und hofft, es wird alles besser.“ Alles besser zu machen war zumindest das Ziel. Gelungen ist es nicht. Die Einschätzung, wer dafür die Konsequenzen tragen muss, wird im Bericht der Opposition wohl anders ausfallen. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind möglich.
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