engels: Herr Gerhardt, was hat sich in den letzten Jahren an der Nordbahntrasse verändert?
Die ersten zweieinhalb Kilometer sind größtenteils fertig. Bezüglich des Restes gibt es von Seiten der Stadt einen Zeitplan, der vorsieht, bis Ende 2013 die Strecke komplett nutzen zu können. Bis dahin müssen die Tunnel komplett saniert sein. Mehr Zeit haben Baumaßnahmen an den Brücken. Oberflächlich werden die Brücken abgedichtet und müssen dann mehrere Jahre trockenfallen, bevor sie saniert werden.
Sehen Sie eine Strahlkraft über die Stadt- und gar die Landesgrenze hinaus?
Die Nordbahntrasse wird einzigartig sein. Von den rund 20 Kilometern Strecke sind zweieinhalb Kilometer Tunnel und 1500 Meter Brücken und Viadukte. Nirgendwo sonst gibt es einen solchen innerstädtischen Freizeitweg. Wir haben großes Glück gehabt, dass die Trasse viele Jahre in einem Dornröschenschlaf lag. In anderen Städten wurden solche Trassen einfach überbaut.
Welche organisatorischen Probleme müssen Sie noch bewältigen?
Viele Schwierigkeiten sind inzwischen beigelegt. Es ging lange um die Frage, wer denn Bauherr der Trasse ist, Stadt oder Wuppertalbewegung. Nachdem wir im vergangenen Jahr das erste Stück gebaut hatten, reklamierte die Stadt die Funktion der Bauherrin für sich. Lange war nicht geklärt, wer die Haftung für aufkommende Spätfolgen übernimmt. Die Stadt wollte Bauherrin sein, aber diesbezüglich das Risiko nicht tragen. Im Moment verhandeln wir darüber, die Fördergelder für das bereits gebaute Stück erstattet zu bekommen. Ein Gutachter, den die Stadt beauftragt, sieht Mängel in der Auftragsvergabe.
Gibt es diese Mängel?
Hier treffen Bürokratie und Ehrenamt aufeinander. Wir haben manche Aufträge mündlich erteilt. Auch ein mündlich geschlossener Vertrag ist ein Vertrag. Die Förderrichtlinien der Verwaltung bestehen aber auf schriftlichen Aufträgen, auch bei Kleinbeträgen Das führt dazu, dass uns Kosten bislang nicht erstattet wurden. Dabei haben wir immer hochgradig wirtschaftlich gebaut, in Summe sogar 15 Prozent günstiger gebaut als ursprünglich veranschlagt.
Brauchen Stadtverwaltung und Wuppertal-Bewegung einen Dolmetscher?
Wir benötigen zumindest jemanden, der uns durch die vielen Bände der Förderrichtlinien navigiert. Auch wäre es schön, immer die richtige Information und die richtigen Formulare zu erhalten. Wir haben auf falschen Formblättern 70.000 Stunden geleistete Arbeit aufgelistet, mussten dies dann noch einmal auf andere Formulare übertragen. Auf solche Aufgaben können wir gern verzichten.
Aber die Wuppertal-Bewegung macht weiter?
Ich will nicht verhehlen, dass es Situationen gab, in denen wir aufgeben wollten. Wenn der Ausbau der Nordbahntrasse von manchen Interessengruppen mit einer eigenen Agenda, die sich nicht am Gemeinwohl orientiert, nicht gewollt und blockiert wird, bleibt, bleibt manchmal nur die Resignation. Aber dann kommen neue Helfer dazu und es geht weiter.
Ist eher die politische Ebene oder die Verwaltung ein Hemmnis?
Bei der Verwaltung gibt es Menschen, die wollen hundertprozentige Sicherheit. Und die können Sie bei der Nordbahntrasse nur erreichen, wenn sie nicht gebaut wird. Andere in der Verwaltung suchen aber auch Auslegungsspielräume, um das Projekt zu ermöglichen. Was die Politik angeht, beschleicht uns manchmal der Eindruck, dass wir von den Politikern als konkurrierende politische Kraft wahrgenommen werden, die wir nicht sind und auch nicht sein wollen.
Im Barmer Rathaus geht die Angst um vor Stuttgart 21?
Mögliche Parallelen gibt es schon. Der Umgang mit berechtigten Anliegen der Bürger ist verbesserungswürdig. Das hat die Verwaltung in Stuttgart und auch in Wuppertal nicht gut gelernt.
Haben Sie noch Ärger mit den Freunden der Fledermäuse?
Im letzten Jahr gab es eine umfangreiche Rahmenverhandlung, die einen Tunnel ganz sperrte und die Nutzungszeiten der anderen einschränkte. Trotzdem stellen die Naturschützer weitere Forderungen.
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