Morgen kann er nicht ins Schwimmbad. „Am Sonntag, den 6.12.09, bleibt das Bad wegen Personalmangels geschlossen. Wir bitten um Ihr Verständnis“, lautet ein handgeschriebener Zettel an der Eingangstür, direkt neben dem lustigen Fisch mit der Sonnenbrille, den seine Enkelin so mag. „Hier habe ich ihr schwimmen beigebracht“, erzählt der Vohwinkeler. Seitdem nimmt der ältere Herr das kleine Mädchen manchmal mit, wenn er seine Bahnen zieht. Er selbst habe Schwimmen damals auch im Stadtteil gelernt, als Kind, mit fünf Jahren müsse das gewesen sein, das weiß er noch, im Sommer, im Freibad, Nichtschwimmerbecken. „Die ersten unsicheren Züge, noch unkoordiniert hechelnd. Stolz wie Oskar war ich damals.“ Nach der Freibadsaison ging es im Hallenbad weiter. „Schwimmen, das war von Anfang an mein Ding.“ Es bereite ihm Freude, damit bleibe er fit. Um Wettkampfambitionen ging es nie, „jetzt im Alter sowieso nicht“.
Wenn das Bad schliesst, geht ein Stück Familie verloren
Das verhaltene Lächeln verschwindet von seinem Gesicht. Wie soll es weitergehen? Die Frage lässt viele Vohwinkeler nicht mehr los. Ihre Hoffnung ruht auf einer Unterschriftenliste. Ein dicker Block, Din A4, liegt auf dem Drehkreuz direkt am Kasseneingang, ein weiterer ist schon voll. „Wir müssen unser Möglichstes tun. Die Schließung trifft alle Schwimmer hart. Jeder hat seine Geschichte. Wussten Sie, dass allein sechs bis elf Schulklassen an jedem Wochentag hier schwimmen?“ Eine Alleinerziehende bringt sich ein. „Ich komme mit meiner Tochter immer zu Fuß hier hin.“ Auch ihre Tante sei regelmäßiger Gast, schon immer. „Was ist die Alternative? Fahrten in ein anderes Hallenbad können wir uns zeitlich und finanziell nicht erlauben“, klagt die Mutter. In ihrer Stimme schwingt Panik mit. „Wenn das Bad schließt, geht ein Stück Familie verloren.“ Der Mann indes hängt seinen eigenen Gedanken nach, betrachtet das Schild, das ihm am Nikolaustag den Eintritt in sein geliebtes Bad vereitelt. „Wie ein Abschied auf Raten“, murmelt er. Am Dienstag kann er wieder frühmorgens seine Bahnen ziehen. Aber es ist nicht mehr dasselbe.
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Teil 2: Leitartikel – Opfer von Behandlungsfehlern werden alleine gelassen
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Teil 3: Leitartikel – Seniorengerechtes Bauen und Wohnen bleibt ein Problem
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