Der riesige Traumfänger über ihrem Bett ähnelt einem Spinnennetz, und die Dekoration wird dominiert von Spinnen und Skorpionen. Jeannette Trowato (45), Sternzeichen Skorpion, liebt Spinnen. „Ich kann auch große Spinnen anfassen.“ Sie hat nicht viele Sachen in ihrem geräumigen Wohn-Schlafzimmer. „Als ich mich damals von meinem Mann getrennt habe, bin ich mit nichts ausgezogen. Gerade mal einen Koffer mit Kleidung für mich und einen Koffer mit dem Notwendigsten für meine Tochter habe ich tragen können.“
Das war vor etwa 15 Jahren. Ihre Tochter Olivia war damals knapp anderthalb. „Es war eine schwierige Scheidung, wissen Sie – mein Ex-Mann ist Sizilianer ...“. Mit ihren schwarzen Haaren und den braunen, feurig leuchtenden Augen sieht Jeannette Trowato beinahe selbst etwas sizilianisch aus. Sie schaut in eine imaginäre Ferne. Vor ihrem inneren Auge scheint sich das Ende des letzten Satzes zu ergänzen. Vier Monate lang hat sie bei ihrer Mutter gewohnt, bevor sie mit Hilfe des Sozialamtes versucht hat, ein neues Heim zu finden. „Ohne das Sozialamt hätte ich es gar nicht geschafft. Damals gab es Kindergartenplätze erst für Kinder ab drei Jahren. Ich hatte mich rechtzeitig darum bemüht, geklappt hat es aber erst, als Olivia schon fast vier war.“ Damit sie wenigstens halbtags arbeiten gehen konnte, sprangen ihre ebenfalls berufstätige Mutter und Freundinnen als Kindermädchen ein. Als Handlanger im Büro einer Versicherung verdiente sie in dieser Zeit etwas Geld dazu. Hinzu kam, dass in der Zeit der Ehe eine Menge Schulden entstanden waren. Auch darum musste Jeanette sich alleine kümmern und private Insolvenz anmelden. Inzwischen ist sie seit neun Jahren in einem Callcenter beschäftigt, erzählt sie und fügt stolz hinzu „So lange halten es wohl nicht viele in diesem Beruf aus. Ich habe aber auch gesundheitlich dafür zahlen müssen: mit einem Krebsleiden. Es scheint, mir ist gleichzeitig genauso viel Unglück wie Power in die Wiege gelegt worden.“
Als sie versuchen wollte, den Kontakt zwischen Tochter und Vater wieder herzustellen, damit Olivia nicht unnötig viel unter der Trennung der Eltern leiden muss, kam der nächste große Schock. „Ich fand heraus, dass er ein Drogenproblem hat. Heroin! Deshalb habe ich mich ans Jugendamt gewendet. Aber der Mann dort war keine große Hilfe. Er war blind für die Situation, und ich fühlte mich total allein gelassen und überhaupt nicht verstanden.“ Sie ist dann selbst mit zu den Treffen gegangen und hat für gemeinsame Familienausflüge gesorgt. Als in ihr jedoch der Eindruck entstand, dass ihr Ex Hoffnung schöpfte, sie beide zurückhaben zu können, nahm sie schnell wieder davon Abstand. Der Kontakt ist in der Zwischenzeit vollständig abgebrochen. Als sie sich das letzte Mal zufällig in der Stadt begegneten, wurde die gemeinsame Tochter einfach ignoriert und lediglich Jeannette gegrüßt. Das größte Problem für sie als Mutter ist die Zwickmühle, angemessen auf solche Begegnungen zu reagieren, ohne Olivia noch weiter zu belasten und zu verletzen. „Ich würde Olivia gerne helfen, damit umzugehen. Doch das ist schwer.“
Heute ist Jeannette Trowato von ihrem Krebsleiden geheilt und im Februar endlich wurde ihr vom Gericht bescheinigt, dass die private Insolvenz abgeschlossen ist. Die toughe Frau blickt positiv in ihre Zukunft: „Ich möchte Zeiten, an denen ich am Boden liege, in meinem Leben nicht missen, denn jede Krise, die man geschafft hat, macht einen wieder etwas stärker.
Mehr zu dem Thema -> Die Revier-Powerfrauen von Bochum
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Kampf um Kalorien
Intro – Den Bach runter
Nach dem Beton
Teil 1: Leitartikel – Warum wir bald in Seegräsern und Pilzen wohnen könnten
„Städte wie vor dem Zweiten Weltkrieg“
Teil 1: Interview – Stadtforscher Constantin Alexander über die Gestaltung von Wohngebieten
Für eine gerechte Energiewende
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Wuppertaler Forschungsprojekt SInBa
Keine Frage der Technik
Teil 2: Leitartikel – Eingriffe ins Klimasystem werden die Erderwärmung nicht aufhalten
„Klimakrisen sind nicht wegzureden“
Teil 2: Interview – Der Ökonom Patrick Velte über die Rückabwicklung von Nachhaltigkeitsregulierungen
Von Autos befreit
Teil 2: Lokale Initiativen – Einst belächelt, heute Vorbild: Die Siedlung Stellwerk 60 in Köln
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 3: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 3: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Unter Fledermäusen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Was bleibt
Die Natur und wir – Glosse
Hört das Signal
Intro – Gesund und munter
Privatvergnügen
Teil 1: Leitartikel – Die Zweiklassenmedizin diskriminiert die Mehrheit der Gesellschaft
„Das Gesundheitssystem wird unter Druck geraten“
Teil 1: Interview – Arzt Bernhard Winter über den Vorwurf einer Zweiklassenmedizin
Verbunden für die Gesundheit
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Selbsthilfe-Kontaktstelle unterstützt Bürgerengagement
So ein Pech
Teil 2: Leitartikel – Opfer von Behandlungsfehlern werden alleine gelassen
„Der Arzt muss dieses Vertrauen würdigen“
Teil 2: Interview – Kommunikationswissenschaftlerin Annegret Hannawa über die Beziehung zwischen Arzt und Patient
Gesundheit ist Patientensache
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Patientenbeteiligung NRW in Köln
Heimat statt Pflegeheim
Teil 3: Leitartikel – Seniorengerechtes Bauen und Wohnen bleibt ein Problem
„Wo Regelmäßigkeit anfängt, sollte Nachbarschaftshilfe aufhören“
Teil 3: Interview – Architektin Ulrike Scherzer über Wohnen im Alter
Gemeinsam statt einsam
Teil 3: Lokale Initiativen – Wohnen für Senior:innen bei der Baugenossenschaft Bochum
Senioren und Studenten müssen warten
Das Wohnprojekt Humanitas Deventer verbindet Generationen – Europa-Vorbild: Niederlande
Wenn der Shareholder das Skalpell schwingt
… und der Patient zur Cashcow wird – Glosse
Einig im Treten
Intro – Arbeitskämpfe