Nicht umsonst werden nicht nur die Musiker geehrt, die bei einem Konzert auftreten, sondern auch die Köpfe, die sich besonders sinnvolle Programme einfallen lassen. Da bewähren sich seit Jahrzehnten Künstler, die einen interdisziplinären Zugriff auf Musik haben – so wie Reinhard Goebel, der einstige Revoluzzer im Alte Musik-Laden. Mit einer seiner Lieblingsgeigerinnen, der deutsch-japanischen Virtuosin Miriam Contzen, besucht er im April nicht zum ersten Mal die Duisburger Philharmoniker.
Hinter einer rauen und manchmal unfreundlich wirkenden Schale verbirgt sich beim Siegener Maestro Goebel immer ein wertvoller Kern. Als aktiv geigender Gründer des Orchesters Musica Antiqua Köln strich er nicht selten harsche Töne, aber seine Ideen hatten stets Tiefe und führten zu Erkenntnis. Seine Erfahrungen gibt er als Dozent in Salzburg an die jungen Menschen weiter. Wenn sich Orchester informieren wollen, laden sie den Dirigenten Goebel ein. Und da der ein sehr belesener und historisch informierter Musiker ist, kommt dies einer Lehrstunde gleich.
Goebel stellt Beethovens „Eroica“ in ein unbekanntes Umfeld, in das sie allerdings genau hinein gehört: zu zeitgenössischen Werken seiner Kollegen. In ihrer Zeit sind Werke von heute vergessenen Komponisten weitaus besser angekommen als die der heute verehrten Kollegen. Als berühmtes Beispiel dafür gilt Telemann, der als Thomaskantor für Leipzig absolut erste Wahl war, während Bach nur als Notkandidat schließlich nachrückte. Heute wird Telemann, der jahrelang als Tafelmusiker gehandelt wurde, langsam wieder als wertvoller Barockkomponist rehabilitiert.
Darauf müssen die Komponisten Franz Clement und Anton Eberl, letzterer ein Mozartschüler, wohl noch länger warten. In der Gegenüberstellung der Werke wird aber hörbar, dass viele Wendungen, die wir als typischen Beethoven erkennen, tatsächlich dem Epochengeist und Zeitgeschmack entsprechen. Und der Fürst Lobkowitz, Beethovens Gönner, gab auch anderen Musikern schöne Sümmchen.
Miriam Contzen, die Festivalchefin von Schloss Cappenberg und seit einigen Jahren Professorin in Berlin, wird ihre Geige von Carlo Bergonzi in einem Konzert von erwähntem Clement ertönen lassen. Die beliebte Instrumentalistin startete bereits mit 16 Jahren als Wunderkind ihre internationale Karriere und schaffte den Übergang in ein erfolgreiches Solistenleben – das gelingt vielen nicht.
„Die beiden ‚Eroicas‘. 9. Philharmonisches Konzert“ | 10., 11.4. 20 Uhr | Philharmonie Mercatorhalle Duisburg | 0203 28 36 21 00
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