Bereits im zarten Dirigentinnen-Alter unter 30 folgte Mirga Gražinytė-Tyla den Dirigentenstars Andris Nelsons und Simon Rattle als Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra. Kürzlich stahl sie beim Köln-Besuch sogar dem Wunderkind-Solisten, einem Nachwuchskünstler des letzten Jahres, die Show – allerdings im besten Sinne. Wer sie und ihr ganz ausgezeichnetes Orchester erleben will, kann jetzt ohne Fähre direkt ins Konzert: Maestra Mirga lädt in dieser Saison mehrfach als Exklusivkünstlerin ins Dortmunder Konzerthaus.
Wunderbar federnd folgt das Orchester seiner Chefin, die ein perfekt austariertes Dynamiksystem vorführt. Bestechend wirkt die minimale Reaktionszeit des großen Orchesters, das wird wichtig in Bruckners Sechster (am 12.3.), in der ein naturalistisches Klang-Gewitter inszeniert wird. Mit dem Pianisten Piotr Anderszewski wird sie das dramatische Abschiedswerk Bela Bartóks interpretieren, das dritte Klavierkonzert aus dem US-Exil.
Zum zweiten Termin (21.3.) erwartet die litauische Wunder-Dirigentin nicht nur die venezolanische Pianistin Gabriela Montero, sondern setzt auch ein Werk der litauischen Landsfrau Raminta Šerkšnytė auf das Programm. Damit betont sie die starken musikalischen Impulse, die traditionell die baltischen Staaten in die Welt senden, als Musiker und Tonsetzer gleichermaßen. Nicht umsonst haben die Balten mit ihren Liedern die „Singende Revolution“ ausgelöst und 1991 gewaltlos ihre staatliche Unabhängigkeit erreicht.
Die chorischen Wurzeln der starken Dirigentin bleiben auch als Maestra spürbar. Ihr Vater ist Chordirigent, ihre zahlreichen Geschwister musizieren alle, es gibt sogar am 28. April ein Familientreffen im Konzerthaus. Dann steht Hausmusik im besten Sinne auf dem Programm, mit lockerem Gespräch. Wie sehr die baltische Sängertradition die junge Dame beflügelt, zeigte die originelle Zugabe im Kölner Konzert. Da verwandelte sie das Orchester in einen tüchtigen Chor mit tänzerischer Renaissance-Musik; ausgelassen, laut und überraschend erzeugten die Musiker, angeführt und manchmal übertrumpft vom Sopran der Chefin, beste Stimmung nur mit Stimmen.
City of Birmingham Symphony Orchestra: 12.3 (Bruckner), 21.3. (Montero) 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund | 0231 22 696 200
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