Meine Urgroßmutter Maria war eine moderne junge Frau des angehenden 20. Jahrhunderts. Das bewies sie allein schon dadurch, dass sie von Düsseldorf in einen Vorort von Köln zog. Von Düsseldorf nach Köln, der Liebe wegen, das verstieß damals gegen die herrschenden Konventionen. Dort, in der damals verschlafenen Provinz, lebte sie mit meinem Urgroßvater, dem Schuhmachermeister Franz Asholt. Doch nicht genug der Widerspenstigkeit. Die junge Frau interessierte sich für Technik. Nur wenige 100 Meter von Ihrem Wohnort konstruierte Eugen Langen im benachbarten Deutz auf seinem Werksgelände ein hängendes Einschienenbahnsystem. Bereits 1824 hatte Henry Palmer eine Bahn entwickelt, bei der hängende Karren von Pferdegespannen gezogen wurden. Eugen Langen perfektionierte das System und entwickelte ein Antriebssystem für eine hängende und vor allem auspendelnde Einschienenbahn. Meine Uroma zeigte reges Interesse für die Probefahrten dieser Bahnen in Deutz.
Meine Urgrossmutter tat sich hervor als eine glühende Verfechterin des Fortschritts
Kaum wurde gewahr, dass die Städte im Tal der Wupper dieses Transportsystem Schwebebahn für den Personennahverkehr realisieren wollen, erhob sich Gezeter.
Die massive Bebauung des Wupperverlaufes rief Kritiker auf den Plan, und viele hielten das Unterfangen schlicht für wahnwitzig. Auch in der Schuhmacherwerkstatt meiner Urgroßeltern war die Bahn, die unter den Schienen hängen sollte, ein großes Thema, und meine Urgroßmutter tat sich hervor als eine glühende Verfechterin des Fortschritts. Diese Bahn sollte von Deutschland aus in ganz Europa Einzug halten bis hin in die Kolonien, dessen war sich meine Uroma sicher. Als es dann hieß, der Kaiser komme am 24. Oktober 1900 nach Vohwinkel, Barmen und Elberfeld, um mit dieser Schwebebahn eine Fahrt zu unternehmen, gab es kein Halten mehr. Uroma Maria reiste nach Elberfeld, um diesem historischen Moment beizuwohnen. Noch in den 1970er Jahren erzählte die inzwischen hochbetagte Frau ihren Enkeln und Urenkeln von jenem bedeutenden Tag. „Wir alle jubelten und winkten dem Kaiser am Döppersberg zu, als er über uns hinwegschwebte.“ Nach dem 24.10.1900 hat jeder die Schwebebahn schon immer gewollt, schloss sie stets ihre Erzählung.
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Teil 2: Leitartikel – Opfer von Behandlungsfehlern werden alleine gelassen
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Teil 3: Leitartikel – Seniorengerechtes Bauen und Wohnen bleibt ein Problem
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