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Die Dreigroschen-Wasseroper

01. Januar 2010

Das Bädersterben wird als alternativlos dargestellt - THEMA 01/10

Ob Oper oder Wasseroper, die Dramaturgie der großen Erzählungen von großen Projekten im Tal ähnelt sich: Alle Verantwortlichen und Repräsentanten der Stadt sind stolz auf ein großes verfallenes Haus. Es wird unter Zuhilfenahme der letzten Spargroschen und der letzten noch gewährten Kredite aufwändig saniert. Und während es feierlich eingeweiht wird, offenbart sich, dass die kleinen Häuser drum herum in einem ähnlich desolaten Zustand sind, für deren Reparatur allerdings kein Geld mehr vorhanden ist und sie deshalb wegen akuter Einsturzgefahr geschlossen werden. Früher nannte man solch ein Handeln „Großmannssucht“. Tatsächlich sind viele Politiker – nicht nur in Wuppertal – geneigt, sich mit aufwändigen Bauprojekten ein Denkmal zu setzten. Und viele Politiker versäumen es gerne, die weniger öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen wie regelmäßige Renovierungs- und Wartungsarbeiten, in Auftrag zu geben. So überraschte die Streichliste, die Oberbürgermeister Peter Jung Ende November der Öffentlichkeit präsentierte, nicht wirklich. Kein Jahr, nachdem das Opernhaus feierlich wiedereröffnet wurde, wird bekannt, dass das Schauspiel keine Zukunft mehr hat. Und einen Monat, bevor die zugegebenermaßen zentrale und repräsentative Schwimmoper wiedereröffnet wird, erfährt der Rat der Stadt von dem Aus für die kleineren Badeanstalten der Stadt. Von den selbstgeschaffenen Sachzwängen getrieben stellt sich die Verwaltungsvorlage zum Haushaltssicherungskonzept als alternativlos dar. Sparen wird zur Maxime des Handelns.

HARTZ-IV EMPFANGENDE FAMILIEN SIND ZWISCHEN PALMENSTRAND UND PIRATENSCHIFF SELTEN ANZUTREFFEN

Alternativlos sind die Vorschläge der Verwaltungsspitze natürlich nicht, sondern sie offenbaren eine knallharte politische Linie. Die Zuschüsse zur Oper sind weit höher als zum Schauspiel. Und gemessen an den Geldern, die zum Wiederaufbau des Opernhauses verwendet wurden, erscheinen die Zuschüsse für die öffentlichen Bäder als Peanuts. Im Schnitt ergibt sich in Wuppertal ein Zuschussbedarf pro Besucher von gut 8 Euro für die Hallenbäder, knapp 12 Euro für die Freibäder. Solch eine Bezuschussung würde für jede Oper im Lande das sofortige Aus bedeuten. Dabei geht es nicht darum, die verschiedenen Empfänger städtischer Gelder gegeneinander auszuspielen. Aber es muss klar benannt werden, welcher Teil der Bevölkerung bei den in Aussicht gestellten Sparplänen die Hauptlast zu tragen hat. Von der Schließung der Bäder in Vohwinkel und Ronsdorf sind vor allem Menschen betroffen, die sich nicht schnell ins eigene Auto setzen können, also Kinder, Ältere und Ärmere. Reichere können in die Schwimmoper fahren oder gar in ein Spaßbad wie die „Waterworld Bergische Sonne“. Allerdings kostet dort das Badevergnügen pro Person mindestens 10 Euro. Kinderreiche Hartz-IV empfangende Familien sind zwischen Palmenstrand und Piratenschiff selten anzutreffen.

Die Privatisierung ursprünglich öffentlicher Aufgaben, die vor der Finanzkrise bei den Kommunen hoch im Kurs stand, rächt sich. Abgesehen davon, dass die privat betriebenen Spaßbäder dazu führen, dass viele Kinder nicht mehr richtig schwimmen lernen, zeigt sich, dass viele Betreiber trotz gepfefferter Preise ökonomisch mit dem Rücken zur Wand stehen. Im November musste die Bergische Sonne für einige Tage schließen, weil die GmbH ihre Strom-, Gas und Wasserrechnung bei den Wuppertaler Stadtwerken nicht rechtzeitig bezahlen konnte. „Ein Kommunikationsproblem“, so nannte die Geschäftsführung des Freizeitbades die kurze Unterbrechung des laufenden Betriebes. Insider hingegen geben dem Spaßbad höchstens noch ein Jahr. Demzufolge wären die Betonbienenwaben eher Ruine als die städtischen Bäder im Westen. Die Stadt droht, zu verlanden. Und zu verfetten, zu verkalken und zu erstarren. Schwimmen ist gesund. Dies erkannten in der jungen Bundesrepublik die Politiker und ließen flächendeckend Badeanstalten errichten. Ein viereckiges Becken in jedem Stadtteil, so wussten damals schon die Verantwortlichen, ist letztlich günstiger als eine kranke Bevölkerung. Aber seit sich der Staat immer mehr zurückzieht, gibt es auch keine neuen öffentlich geförderten Bäder. Und die Alten leiden an Altersschwäche. Der für den Sport zuständige Beigeordnete Matthias Nocke bezeichnet den Zustand der Technik in vielen Freibädern als „abgängig“. Die Filter- und Pumpenanlagen sind veraltet. „Das muss man sich vorstellen wie in den alten Seekriegsfilmen, in denen der ölverschmierte Maschinist unter Deck mit dem Ölkännchen rumläuft und mit alten Nylons die Transmissionriemen ersetzt“, erklärt Nocke die Situation äußerst plastisch.

Was also ist zu tun? Gerade veraltete Technik lädt dazu ein, völlig Neues zu probieren. Statt immer nur zu streichen und zu schließen, müssten die Verantwortlichen der Stadt neue Konzepte entwickeln. Im hochverschuldeten Gelsenkirchen kauften sich kürzlich die Stadtwerke Anteile von Deutschlands größter Turnhalle namens Schalke-Arena. Warum also sollten nicht die WSV die Bäder erwerben und sie ökologisch aufrüsten? Pläneschmieder hierfür gäbe es genug: Wuppertal-Institut, Energieagentur, Bergische Uni und Barmer Ersatzkasse – bitte übernehmen Sie!

LUTZ DEBUS

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