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Ist die Forschung im Tal ballaballa?
Foto: Mareike Wahle

Eis und heiss

01. November 2009

Forschung zwischen Urknall und Klimawandel - THEMA 11/09

Die Forschungsstandorte Harvard und Yale, Oxford und Cambridge, auch Göttingen, Heidelberg und Freiburg sind bekannt. Aber Wuppertal? Ist hier mehr erfunden worden als ein lackierter Pinguin? Der erste Eindruck täuscht. Die Bergische Universität beschäftigt knapp 300 Professoren. Und die Forschung dort ist breit aufgestellt. Schon bei den Naturwissenschaftlern beeindrucken die Dimensionen. Am Nordpol suchen bergische Chemiker im Eis salpetrige Säuren, um zu verstehen, wie sich unsere Atmosphäre reinigt. Am Südpol hingegen begeben sich bergische Physiker auf Neutrinojagd. Wer bei diesen Teilchen an einen Comichelden für Kinder denkt, liegt falsch. Winzige, fast masselose, ungeladene und somit kaum sichtbare Teilchen werden mit Hilfe eines einen Kubikkilometer großen Eiswürfels in der Antarktis nachgewiesen. Wozu? Ist doch irgendwie interessant zu erfahren, woher wir alle kommen. Die klitzekleinen Neutrinos könnten, salopp formuliert, bei der Beantwortung dieser Frage helfen. Vielleicht sind sie von irgendeinem etwas weiter entfernten Urknall zu uns geflogen gekommen. Viel größer dimensioniert als die Neutrinos sind die Atomteile, die im Teilchenbeschleuniger CERN in Genf in eine Kreisbahn geschickt wurden. Im Oktober vergangenen Jahres sollten zwei Protonen aufeinander geschossen werden. Einige Skeptiker prophezeiten den Weltuntergang. Manche Enthusiasten hofften, eine unendliche Energiequelle entwickeln zu können. Beide Szenarien sind bislang nicht eingetreten, obwohl Wuppertaler Wissenschaftler an dem Experiment beteiligt sind.

Aber auch in anderen Wissenschaftszweigen wird an der Bergischen Universität geforscht. Manche Projekte erscheinen dabei weniger spektakulär, aber zumindest in den Ergebnissen leichter zu verstehen. Natürlich verbessert sich die schulische Leistung von Migrantenkindern, wenn sie Förderunterricht erhalten. Wenn sie diesen von Lehrern erhalten, die aus dem gleichen Land stammen, verstehen sie noch mehr. Dieser Zusammenhang scheint eine Binsenweisheit zu sein. Wissenschaftlich bewiesen hilft sie, in der Fachdiskussion mit Politikern neue schulische Konzepte zu erstellen. Wuppertal als großer Standort der Lehrerausbildung betreibt hier Grundlagenforschung. Obwohl keine Universitätsklinik vorhanden werden auch medizinische Fragen beantwortet. „Neuronales Aktivierungsmuster bei Symptomprovokation während der Entwicklung der posttraumatischen Belastungsstörung“ heißt der sperrige Titel eines Forschungsvorhabens. Anders formuliert: Was geschieht im Gehirn eines Soldaten, der in Afghanistan einen Bombenanschlag überlebt? In Jordanien wiederum gräbt der „Indiana Jones der Theologie“ Dieter Vieweger gleich mehrere antike Städte aus. Der Clou: Die etwa 20 Städte befinden sich übereinander. Vielleicht kann uns der Ehrendoktor der Wuppertaler Uni bald erklären, ob die Menschen im Nahen Osten friedlicher miteinander auskamen, bevor es Islam und Christentum gab. Etwa 100 Jahre wird es dauern, den Schutthügel an der Grenze zu Israel und Syrien zu durchsuchen.

Das Wuppertal Institut mahnt seit knapp 20 Jahren einen ressourcensparenden Umgang mit unserem Planeten an

Internationales Renommee besitzt das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Mit ihm arbeitet die Bergische Universität zusammen. Stolz lächeln auf einem Pressefoto Unirektor Lambert T. Koch, Professor Manfred Fischedick und NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben in die Kamera. Ob die gezeigte Harmonie zwischen der Ministerin und dem Institutsleiter durch dissonante Töne gestört wird, ist nicht zu erkennen. Das Wuppertal-Institut mahnt seit knapp 20 Jahren einen ressourcensparenden Umgang mit unserem Planeten an. Ob die Forderung nach einem schnellen Ausstieg sowohl aus der Atom-wie aus der fossilen Energie mit den Plänen der schwarz-gelben Landes- und Bundesregierung zu vereinbaren ist? Christa Thoben ist glühende Befürworterin der Uran- und der Kohleverstromung. Der Leiter des Berliner Büros des Wuppertal Instituts Hermann E. Ott wechselte im September schnell in den Reichstag. Er wolle, so sagte er seinen grünen Wählern, mehr an den Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Der Umkehrschluss bedeutet: Auf die Forschungsergebnisse des Instituts für Klima, Umwelt, Energie hört sowieso niemand. Die wichtigen Wälzer aus dem Haus am Döppersberg füllen vielleicht schon die Altpapiercontainer der Büros der Bundestagsabgeordneten und Ministerien. Tatsächlich stellt sich in der zukünftigen Förderungspolitik von Bund und Land die Frage nach der Akzentverschiebung. Wird demnächst mehr Biotechnik statt Ökotechnik gefördert? Werden die Möglichkeiten neuer Atommeiler in Deutschland erforscht oder die effizientere Nutzung von Energie? Zu befürchten ist, dass die neue Bundesregierung und die alte Landesregierung die Dinosaurier füttern werden. Aber ein Argument spricht wiederum gegen diese Schreckensvision. Mit menschenfreundlicher Technik lässt sich inzwischen mehr Geld verdienen als mit großen Kraftwerken. Bundesweit bestimmen abgeschaltete Atomkraftwerke und rechtlich und finanziell nicht mehr durchsetzbare Kohlekraftwerke die Schlagzeilen.

LUTZ DEBUS

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