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Five Minutes of Heaven
GB/IRL 2009, Laufzeit: 90 Min.
Regie: Oliver Hirschbiegel
Darsteller: Liam Neeson, James Nesbitt, Anamaria Marcina, Niamh Cusack

1975: Der 16jährige Alistair Little tötet im Nordirland-Konflikt den Bruder des 11Jährigen Joe Griffin, der Zeuge des Mordes wird. Über 30 Jahre später sollen sie sich für einen Fernsehauftritt treffen.

Von Bernd Eichinger angestiftet hat Oliver Hirschbiegel mit „Der Untergang“ versucht, der Historie in einem opulenten Drama näherzukommen. Die Zuschauerzahlen des

Welterfolgs haben gezeigt, dass eine illusionistische Inszenierung von Geschichte beim Publikum ankommt, vor allem, wenn es um eine so dämonische Gestalt wie Hitler geht. Irgendwie glaubt man doch, mit dem Film einer historischen Wirklichkeit nähergekommen zu sein. Mit dem in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Projekt „Five Minutes of Heaven“ hat sich Hirschbiegel trotz des Erfolgs von „Der Untergang“ aber daran erinnert, dass ein solcher Versuch, Authentizität herzustellen, höchstens ein historistisches Gemälde aus unserer Gegenwart ist. Daher erzählt Hirschbiegel in seinem neuen 'Historienfilm' vor allem von der Gegenwart.

PRÄSENZ DER KÖRPER

„Five Minutes of Heaven“ ist als Triptychon angelegt. Zu Beginn sehen wir eine Rekonstruktion des Mordes von Alistair Little. Alistair trat 1972, mit 14 Jahren, der unionistisch-protestantischen UVF bei, nachdem der Vater eines Freundes von der republikanisch-katholischen IRA ermordet wurde. Drei Jahre später erschießt er stolz einen Katholiken, weil er gehört hat, der habe einen Protestanten bedroht. Als Begründung reicht das, und außerdem wollte Little das Lob seiner Mitstreiter, hört man ihn später angespannt in die Kameras des Filmteams seine damaligen Beweggründe erläutern. Als er den tödlichen Schuss durch das Fenster abgibt, steht plötzlich Joe Griffin, der kleine Bruder des Opfers, neben ihm. Die Blicke treffen sich, Little hält kurz inne, dann stürzt er zum Fluchtauto. In der Retrospektive erfahren wir, dass Little für zwölf Jahre ins Gefängnis kommt, während Griffins Familie an diesem Schicksal zerfällt. Das 30 Jahre später von einem Filmteam initiierte Treffen soll die beiden versöhnen, doch Griffin hat anderes im Sinn.

Die beiden Hauptdarsteller Liam Neeson („Batman Begins“, „Chloe“) und James Nesbitt stammen zwar beide aus Irland; der Katholik Neeson spielt aber einen Protestanten, der Protestant Nesbitt einen Katholiken. Der deutsche Hirschbiegel ist wiederum nicht nur topografisch auf Distanz – er ist weder Katholik noch Protestant (auch wenn die Bedeutung der Konfession in Nordirland weit über religiöse Bezüge hinausgeht). So tragen die am Filmprojekt Beteiligten nicht den Ballast der in ihrer Emotionalität gefangenen Figuren, die permanent die Taten der Protestanten gegen die der Katholiken aufrechnen und umgekehrt. Zumindest im zweiten und dritten Teil des Films vermeidet die nüchterne Ästhetik mit Handkamera, natürlichem Licht und wenig Musik große Dramatik. Der Blick konzentriert sich ganz auf die zwei Menschen und ihre Körper: Griffins explosive Psyche und Alistairs von Schuld gepeinigte Seele sind von greifbarer physischer Präsenz. Bei allen Unterschieden, darin ähnelt Hirschbiegels Film Steve McQueens kurz zuvor gedrehtem Drama „Hunger“ über einen Hungerstreik von IRA-Häftlingen.

THERAPIE FÜR EIN VOLK

So interessant Hirschbiegels Inszenierung des Films auch ist, sein Gelingen ist ohne das klug erarbeitete Drehbuch nicht denkbar. Autor Guy Hibbert hat bereits mit seiner Verfilmung des IRA -Attentats in Omagh Erfahrungen mit dem Thema gesammelt. War „Omagh“ aber als historisches Drama angelegt, setzt Hibbert für „Five Minutes of Heaven“ den Akzent auf die Gegenwart. Dafür nahm er Kontakt mit Alistair Little und Joe Griffin auf. Zunächst ließ er sich den Tathergang von den beiden detailliert beschreiben. Soweit, so konventionell. Für den zweiten Teil des Films, der das fiktive Zusammentreffen von Little und Griffin zeigt, fragte er die beiden in Einzelgesprächen, wie sie mit einer solchen Situation umgehen würden. Als Griffin ohne Umschweife antwortete, er würde nach all dem Leiden für seine fünf Minuten himmlischer Genugtuung Little töten, war der Dreh- und Angelpunkt des Films klar. Nun ging es darum, in weiteren Gesprächen mit dieser aus Gewalt geborenen Gewalt umzugehen. „Five Minutes of Heaven“ ist kein politischer Film. Es ist ein therapeutisches Projekt, das versucht, exemplarisch an zwei Figuren die Gewaltspirale eines ganzen Volkes zu durchbrechen. Eine nicht unwesentliche Rolle kommt dabei Vika zu, eine von Anamaria Marinca („4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“) gespielte Assistentin des Fernsehteams. Sie öffnet erstmals Griffins von Hass geprägten Blick. Es steht fast symbolisch für die Allgemeingültigkeit des Konflikts, dass die Rumänin Marinca nicht nur wie Hirschbiegel eine Unparteiische ist, sondern als Bosnierin Mira in Hans-Christian Schmids „Sturm“ selber in der Position von Joe Little war.

Während „Der Untergang“ auf You Tube nur noch für Persiflagen herhält, könnte „Five Minutes of Heaven“ eine ernsthafte historische Fußnote werden, die zwar nicht an Versöhnung glaubt, aber daran, dass man die Vergangenheit loslassen muss, um in die Zukunft blicken zu können. Genau das macht der Film.

(Christian Meyer)

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