Neugierige Passanten in der Fußgängerzone am Bahnhofstunnel Döppersberg. Auf dem Boden liegt ein schwarzes Tuch, geschmückt mit weißen Rosen in Form eines Kreuzes. Es rührt viele anwesende Betroffene zu Tränen. Die Rosen stehen für Trauer, Tod und Hoffnung. Der Gedenkgottesdienst am Nationalen Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige auf der „Platte“ findet jedes Jahr am 21. Juli statt. „Die Lebensgeschichte jedes einzelnen soll nicht vergessen werden“, betonte Pastoralreferent Herbert Scholl in seiner Ansprache in Wuppertal. Für den Gedenkgottesdienst hat sich der Seelsorger diesen Ort am Döppersberg bewusst ausgesucht.
Bei Prostituierten muss der Seelsorger andere Wege gehen, um mit den Frauen ins Gespräch zu kommen
Pastoralreferent Herbert Scholl (52) lebt mit seiner Frau in Leverkusen und arbeitet in Wuppertal und Leverkusen als Seelsorger. Seine Schützlinge sind Drogenabhängige, Obdachlose und Prostituierte. Menschen, die kurz vorm Abgrund stehen, denen kaum jemand Beachtung schenkt. Er trifft Menschen mit Existenznöten, psychischen Erkrankungen, Alkohol- und Drogenproblemen. Homosexuelle gehören nicht zu seinen Schützlingen. Der studierte Diplomtheologe war 13 Jahre als Seelsorger in einer Justizvollzugsanstalt in Köln tätig, bevor sein Arbeitsgebiet sich seit 2005 auf andere Arbeitsbereiche ausbreitete. Doch die Zeit als Gefängnisseelsorger hat ihn geprägt. Sein jetziger Arbeitsplatz ist die Straße. Zwischen Neumarktbrunnen, Berliner Platz, Döppersberg oder anderen sozialen Brennpunkten kann man ihn bei seiner Tätigkeit als Berater für Menschen ohne Perspektive beobachten. Die Kontaktaufnahme ist nicht immer einfach. Drogenabhängige trifft er in der Anlaufstelle „Gleis 1“, Obdachlose am Abend in den Innenstädten oder im „Cafe Oberstübchen“. Bei den Prostituierten muss der Seelsorger andere Wege gehen, um mit den Frauen ins Gespräch zu kommen. Sein Schwerpunkt Prostitution ist ein sehr spezieller Bereich. „Die Frauen müssen in ihrer Arbeit etwas tun, was einerseits Nähe beinhaltet, andererseits müssen sie sich die Männer gleichzeitig fernhalten“, berichtet Herbert Scholl. Einige Frauen besucht er nach Absprache in ihren Appartements. Entweder hört er ihnen zu, wenn sie Sorgen haben, oder er klärt über die Möglichkeiten auf, sich über sexuell übertragbare Krankheiten in einer Sprechstunde des Gesundheitsamtes zu informieren. Dem Seelsorger ist in erster Linie wichtig, den Frauen zu zeigen, dass auch die Kirche bereit ist, sich um Prostituierte zu kümmern. Armut, Krankheit und Tod begegnen ihm sehr oft. Viele seiner Klienten sind schon verstorben.
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