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Paula Modersohn-Becker, Stillleben mit Goldfischglas, 1906-07, Öl auf Pappe, 50,5 x 74 cm
© Von der Heydt-Museum, Wuppertal

Immer mehr Paris

30. August 2018

Paula Modersohn-Becker im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 09/18

Erst langsam und dann wie ein Lauffeuer hat sich vor eineinhalb Jahrzehnten die Bedeutung von Paula Modersohn-Becker (1876-1907) für die Gegenwartskunst herumgesprochen. Mittlerweile ist der Hype um ihr Werk fast wieder vorbei – und umso mehr ist der genaue Blick auf ihre Malerei möglich. Dazu trägt der Vergleich zur Kunst ihrer Zeit bei: Diese Differenzierung und Vertiefung unternimmt jetzt das Von der Heydt-Museum mit viel Kompetenz und auf dem Fundament der eigenen Sammlung. Ergänzt wird dieser Bestand in der Ausstellung um etliche museale Leihgaben. Und dann sind da noch die Referenzwerke, die Beate Eickhoff als Kuratorin zusammengestellt hat. Sie stammen von den Künstlern der Künstlerkolonie Worpswede und der deutschen und Pariser Avantgarde um 1900. Teilweise hat man diese Werke nun gemeinsam mit ihren Bildern vor Augen und erkennt dann sehr schnell, was Modersohn-Becker interessiert hat. Und obwohl sie mit gerade 31 Jahren gestorben ist, viel unterwegs war und – zumal als Frau – kaum Resonanz auf ihre Malerei erhalten hat, war sie höchst produktiv.

Paula Modersohn-Becker wurde in Dresden geboren. Früh erhielt sie Zeichenunterricht in London und Bremen; 1896 hat sie an der Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen studiert. Bereits 1895 hat sie die Bilder der Worpsweder Künstler in der Kunsthalle Bremen gesehen und war im Herbst 1898 ins Teufelsmoor gezogen. Vorbild der Landschaftsmaler, die sich dort niedergelassen hatten, war die Freilichtmalerei der französischen Schule von Barbizon: Die Natur mit ihren wechselhaften Phänomen sollte zur „Lehrmeisterin“ werden. In Worpswede wurde Paula Becker von Fritz Mackensen ausgebildet. 1901 hat sie dort ihren Malerkollegen Otto Modersohn geheiratet.

Zunächst malt sie Landschaftsstücke und Porträts, die bereits die Monumentalität ausstrahlen, die sie später weiter mit Intensität auflädt. Wichtig dabei sind die vier (Studien-) Reisen nach Paris. 1900 reist sie zum ersten Mal in die Metropole; zu den Künstlern, die sie besonders faszinieren, gehört Cézanne, dessen flächige Komposition unter Aufgabe der räumlichen Perspektive sie sich für ihre Stillleben aneignet. Diese bestehen aus einfachen, wie zufällig daliegenden Gegenständen. In ihrer pastosen Malerei sind sie wie aus der Farbmaterie geschält.

Während ihres zweiten Aufenthalts 1903 lernt sie die frontalen Fayum-Porträts der frühen ägyptischen Kunst im Louvre kennen. Sie regen sie zu den Porträts an, mit denen sie heute vor allem in Verbindung gebracht wird: den Mädchenbildnissen unterschiedlicher Altersstufen. Die Augen sind geöffnet und dem Betrachter zugewandt. In ernster Stille dominiert die Figur das Bildformat. Das Inkarnat ist fein modelliert, und so präsent das Mädchen ist, so sehr wirkt es doch jeder Zeitlichkeit enthoben. „Überhaupt bei intimster Beobachtung die größte Einfachheit anstreben. Das gibt Größe“, schreibt Paula Modersohn-Becker. Das behält sie auch bei, als sie später in Paris die Werke von Gauguin sieht und das Atelier von Rousseau besucht: In ihren Malereien ab 1906 überwiegen nun vegetative Motive, in die die Figuren wie Statuen eingebettet sind. Die Farben, die zuvor stumpf waren (und gerade darin faszinierten), beginnen zu leuchten. Damit ist Paula Modersohn-Becker endgültig im Expressionismus angekommen und hat sich von Worpswede gelöst, obwohl sie dorthin immer wieder zurückkehrte und dort auch, nach der Geburt ihrer Tochter, unerwartet gestorben ist.

Rainer Maria Rilke, der im August 1900 Worpswede besucht hatte und sie danach in Paris wiedersah, schien sich zunächst gar nicht für ihre Kunst zu interessieren. 1906 aber beschrieb er ihre Leistungen als „rücksichtslos und geradeaus malend, Dinge, die sehr worpswedisch sind und die doch nie einer sehen oder malen konnte.“ Rilke schrieb dies an Karl von der Heydt. August von der Heydt wiederum wurde Paula Modersohn-Becker über den Bildhauer Bernhard Hoetger vorgestellt. Erst nach ihrem Tod aber erwarb er 32 Arbeiten, von denen sich noch die Hälfte im Museum befindet. Also, das Wuppertaler Institut ehrt hier auch seine Stifterfamilie.

Paula Modersohn-Becker: Zwischen Worpswede und Paris | 9.9.-6.1. | Von der Heydt-Museum | 0202 563 62 31

Thomas Hirsch

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