 
		Im ukrainischen Schtetl (Städtchen mit hohem jüdischem Bevölkerungsanteil) namens Anatevka liegen die Gefühle blank. Der warmherzige Tevje bricht mit der Tradition, um seinen Töchtern das Glück einer Liebesheirat zu ermöglichen. Das dazugehörige Musical „Fiddler on the Roof“ lief zu seiner Zeit am Broadway in Rekordlänge, es eroberte die ganze Welt und brachte dem Publikum auch die Welt jüdischer Musik nahe – natürlich im weichgespielten Broadway-Sound. Der Hit „Wenn ich einmal reich wär“ – die russischen Juden um 1900 waren nämlich sehr arm und mussten stets mit Pogromen (zerstörerische Vertreibung durch zaristische Truppen) rechnen – dürfte selbst der Enkelgeneration nicht entgangen sein, wenn Opa mal wieder den Sessel aufsuchte und die Augen zum Träumen schloss – besonders, wenn der Berliner Berufsrusse Ivan Rebroff sang oder Helmut Zacharias lächelnd geigte.
Speziell in Deutschland wurde verstärkt nach Realitäten jüdischer Kultur gefahndet, so auch 2003 in einer Wanderausstellung „Klezmer heymish und hip“, die ihre Premiere in Gelsenkirchen feiern durfte und anschließend über Jahre durch Deutschland und Österreich reiste. „Klezmer“ galt bereits damals als hip, osteuropäische Ensembles gastierten weltweit auf Weltmusik- bis Jazzfestivals, die amerikanische Musikavantgarde flocht Jazz in Klezmer-Linien. In London wird jiddische Musik am Jewish Music Institut gelehrt und erforscht.
Von der Themse kommt auch das London Klezmer Quartet zum Eröffnungskonzert auf Schloss Horst, mit einer typischen Besetzung: Violine, Klarinette, Akkordeon, Bass und Gesang bieten die vier Damen auf. Im gemischten Doppel folgen Merlin und Polina Shepherd, jiddische und russische Quellen speisen ihr Repertoire. Diese beiden Musiker zählen auch zum internationalen Kreis der diesjährigen Dozenten, die in dieses Konzert mit einbezogen werden. Denn das Festival in Gelsenkirchen setzt ganz besonders auf eine körpernahe Erfahrung mit Musik und Kultur. Dazu veranstalten die „klezmerwelten“ einen einwöchigen Klezmer-Workshop, wo gelernt, geprobt, gesungen und getanzt wird – für Kinder und Jugendliche und erstmals auch für Erwachsene. Da Mitmachen sogar bei Konzerten heute sehr angesagt ist, wird dieses Angebot auf breiten Zuspruch treffen. Es wird zudem ein „KlezTalk“ abgehalten, ein Tanzabend mit Live-Musik angeboten, und die jüdische Gemeinde Gelsenkirchen lädt zu einem Schabbes in die Synagoge ein, um den Beginn des Schabbat mitzufeiern. Einen Kiddusch (Imbiss) gibt es dann auch.
Musik aus Frankreich, aus St. Petersburg und Chassidische Musik aus Israel sind zu erleben, bis Songs von Daniel Kahn und Sasha Lurje über Liebeskummer, Wollust und Mord die typisch jiddische Lebensart zum Festivalfinale vermitteln – Weltschmerz zum Totlachen!
klezmerwelten | Gelsenkirchen | 10.10. - 28.11. | www.klezmerwelten.de
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