engels: Herr Hüttenhölscher, ist unsere Welt noch zu retten?
Prof. Dr. Norbert Hüttenhölscher: Na sicher. Sie verändert sich aber. Durch die Klimaerwärmung erwärmt sich allein durch die bereits emittierte CO2-Belastung der Planet um durchschnittlich zwei Grad Celsius. Wenn es bei diesen zwei Grad bleiben würde, wäre das Problem noch zu handhaben. Es bedarf aber enormer Anstrengungen, dass wir nicht hemmungslos große Mengen klimaschädlicher Gase in die Umwelt emittieren. Denn dann wäre die Welt nicht mehr zu retten.
Bei der Reduktion der CO2-Emissionen hilft die Energieagentur Nordrhein-Westfalen?
Dies ist natürlich ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit. Wir wollen aber außerdem die Unternehmen und Kommunen in NRW von den explosionsartig steigenden Energiekosten entlasten. Zum dritten wollen wir neue Geschäftsfelder durch Energieeffizienz in NRW erschließen. Es gibt hier viele Firmen, die sich mit diesen Technologien beschäftigen. Dadurch, dass wir diese am Markt bekannt machen, können wir dazu beitragen, dass Arbeitsplätze gesichert oder gar neue geschaffen werden.
Was würden Sie einem Wuppertaler Unternehmen konkret raten, um Energie zu sparen?
Ein Beispiel: Man kann Wärme wie jedes andere Material recyclen. Mit Wärmetauschern wird warmer Abluft und warmem Abwasser Energie entzogen. Diese kann man an anderer Stelle günstig wieder einsetzen. Das sind einfache Techniken, die keine hohen Investitionskosten binden und sich in kurzer Zeit bezahlt machen.
Das sind ja eher unspektakuläre Maßnahmen.
Energierationalisierung findet oft im Keller statt. Und in den Köpfen. In Schulen und Kindergärten führen wir entsprechende Projekte durch. Sogar bei der Bundeswehr waren wir.
Sie unterrichten in ökologischer Kriegsführung?
(lacht) Die Mission E ist eine Aktion, die wir bei der Bundeswehr gestartet haben. Wir haben mit Soldaten Weiterbildungs- und Sensibilisierungsprogramme durchgeführt. Wir erreichten im ersten Jahr dieses Programmes bei den teilnehmenden Einheiten eine Verbrauchsreduzierung von 8,3 Prozent.
Der Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin, schlägt Menschen mit wenig Einkommen vor, im Winter auch in der Wohnung Pullover zu tragen. 15 Grad Raumtemperatur sind für den Sozialdemokraten genug. Was meinen Sie?
Das Problem der Energiekostensteigerung hat natürlich eine soziale Komponente. Wir wissen, dass manche Leute inzwischen Schwierigkeiten haben, ihre Wohnung angemessen zu heizen, mit dem Auto zur Arbeit zu kommen, warm zu duschen. Es gibt verschiedene Modelle, die zurzeit diskutiert werden. Zu dieser politischen Diskussion möchte ich mich hier nicht äußern. Was ich aber immer wieder sage: Es bedarf gar keines warmen Pullovers in der Wohnung, wenn wir endlich die Sanierungsrate der Gebäude steigern, wenn also die Häuser einen Pullover angezogen bekommen.
Aber ein Hartz-IV-Empfänger kann sich keine Photovoltaikanlage auf dem Dach leisten. Wer soll die Modernisierung bezahlen?
Der Wohnungseigentümer soll alles tun, was technisch und wirtschaftlich vernünftig ist, damit sein Mieter möglichst wenig Heizkosten hat.
Das kann dem Vermieter doch egal sein. Er zahlt doch nicht die Nebenkosten.
Nein, das kann ihm nicht egal sein. Wir versuchen, auch den Mieter zu sensibilisieren. Ein Mieter sollte immer auf die Energiekosten eines Objektes achten.
Warum eigentlich konzentrieren sich mit der Energieagentur und dem Wuppertal-Institut ökologische Institutionen in dieser Stadt? Sind wir das Freiburg von NRW?
Wuppertal ist tatsächlich der Kristallisierungspunkt für das Thema Energie. Auch die Bergische Uni hat Energieeffizienz als Schwerpunkt. Und die Wuppertaler Stadtwerke beschäftigen sich mit dem Thema. Wir freuen uns darüber.
Energieversorger sollen für das Energiesparen werben? Macht man da nicht den Bock zum Ziergärtner?
Das darf man heute nicht mehr sagen. Energieversorger propagieren das Energiesparen aus geschäftlichem Interesse. Tochtergesellschaften von Energieunternehmen bieten sogenanntes Contracting an. Das Unternehmen stellt neue Energiezentralen in die entsprechenden Gebäude und nimmt einen fest vereinbarten Preis für die Beheizung. Der Besitzer des Gebäudes hat so stabile und günstige Heizkosten, das Energieunternehmen verdient an dem hohen Wirkungsgrad der modernen Technologie.
Unsere Energiekonzerne bauen auch Großkraftwerke. Was sagen sie dazu?
Ich muss mich wiederholen. Die Energieeffizienz wird noch immer unterschätzt. Nun sind wir keine Träumer. Es wird ohne einen Energiemix auf absehbare Zeit nicht gehen. Wir haben die Verhältnisse in diesem Mix als Energieagentur bereits verschoben und werden das weiter tun. Der Einsatz von immer effizienteren Anlagen wird ebenso wie der Anteil an regenerativer Energie weiter steigen.
Prof. Dr.-Ing. Norbert Hüttenhölscher (54) ist Geschäftsführer der EnergieAgentur.NRW
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