In Island gibt es einen Witz. Frage: Was machst du, wenn du dich im Wald verirrst? Antwort: Du stehst einfach wieder auf. Dabei stimmt das Klischee, wonach auf der Insel im Arktischen Ozean klimabedingt höchstens hüfthohe Sträucher gedeihen, gar nicht. Im Gegenteil: Bis ins Mittelalter war die größte Vulkaninsel der Welt von ausgedehnten Birkenwäldern bedeckt. Etwa ein Drittel der isländischen Gesamtfläche soll einmal aus Wald bestanden haben.
Doch nachdem die Wikinger die Insel vor etwas mehr als 1000 Jahren entdeckten und Skandinavier das Land daraufhin besiedelten, sanken die Waldvorkommen rapide: Die Siedler brauchten nicht nur Brenn- und Bauholz sondern auch Weideland für ihre Schafe. Das brachte das Ökosystem schnell ins Wanken. Im harten arktischen Klima hatte der Wald, einmal aus dem Gleichgewicht gebracht, zudem kaum eine Möglichkeit zur natürlichen Regeneration.
Vielleicht ist es diese Verlusterfahrung, die bei den Isländern schon früh zu einer besonderen Sorge für den Wald geführt hat. Schon 1899 wurden erste Wiederaufforstungsversuche unternommen, 1907 verabschiedete das isländische Parlament ein Forstschutzgesetz, um den kümmerlichen Rest des Waldes, inzwischen deutlich weniger als ein Prozent der Landesfläche, nicht auch noch zu verlieren. Seitdem wird experimentiert, welche Bäume dem rauen Wind und den polaren Wintern gewachsen sind.
So wuchsen mit der Zeit kleine aber feine Wälder, die sich zu beliebten Naherholungsgebieten entwickelten. Seit den 1990er Jahren wurde die Wiederaufforstung noch einmal deutlich intensiviert: Der isländische Wald hatte jetzt nicht nur einen touristischen Wert, sondern spielte auch einen entscheidende Rolle in der angestrebten Klimaneutralität, die Island als eines der ersten Länder erreichen will. Bis zu sechs Millionen Baumsamen wurden in Spitzenzeiten verpflanzt.
Doch dann traf die globale Finanzkrise Island besonders schwer. Die teuren Setzlinge, die das Land bis dahin importierte, waren plötzlich so gut wie unbezahlbar geworden. Umso wichtiger ist der Einsatz von engagierten Privatpersonen wie Eymundur Magnússon, der auf seiner Biofarm im Osten des Landes im Laufe der Zeit quasi im Alleingang eine Million Bäume gepflanzt hat und Volunteers gegen freie Kost und Logis einlädt, ihn zu unterstützen.
Eine Herausforderung ergibt sich aber auch aus der schieren Größe des Landes. Statistisch gesehen kommen auf jeden Isländer 50 Fußballfelder Fläche. Bis die großen Wälder zurückkehren, wird also noch viel Zeit und Arbeit ins Land gehen. Dennoch gibt es erste Erfolge. Seit einigen Jahren kann die, bis dahin staatlich subventioniere Forstwirtschaft, erste kleine Gewinne einfahren. Und Wissenschaftler interessieren sich für die Resistenzen, die das isländische Saatgut im rauen Klima entwickelt hat: Ein Baum, der in Island wachsen kann, sollte schließlich auch in anderen Regionen besonders robust sein.
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