Das Thema ist zugegebenermaßen nicht neu – eher alt. Die Grauen Panther hatten ihren Sitz in Wuppertal. Die Bürgerbewegung und Partei thematisierte bundesweit bereits in den Achtziger Jahren die Frage der Generationengerechtigkeit. Trude Unruh, die berühmte und umtriebige Vorsitzende, war sogar eine Legislaturperiode lang Abgeordnete im Bundestag. Die Grünen hatten ihr dies ermöglicht. Die streitbare Dame, früher bereits in der SPD und der FDP Mitglied, gründete aber lieber die eigene Partei „Die Grauen“, als selbst grün zu werden. Inzwischen sind die Grünen selbst in Würden ergraut, und die Grauen wegen einer unrühmlichen Spendenaffäre bedeutungslos geworden. Die 84jährige Unruh tritt nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Aber das Anliegen ihrer Partei ist aktueller denn je. Denn die Altersstruktur der Gesellschaft ändert sich schneller und dramatischer als noch vor Jahren angenommen.
Wuppertal wird in Zukunft leerer, älter und etwas bunter sein. Am 31. Dezember 2008 hatte die Stadt laut Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen 352.368 Einwohner. Das Landesamt rechnet damit, dass Wuppertal erheblich schrumpfen wird. Demnach wird geschätzt, dass im Jahr 2025 noch etwa 324.500 Einwohner in der Stadt leben. Das wäre ein Bevölkerungsschwund innerhalb einer Zeitspanne von 17 Jahren von 7,9 Prozent. Auch die angeblich geburtenstarken Familien mit Migrationshintergrund können, so ist auf der Homepage der Stadtverwaltung nachzulesen, diesen Trend nicht stoppen. Während Frauen mit deutschem Pass durchschnittlich 1,23 Kinder haben, beträgt diese Zahl bei Frauen anderer Staatsangehörigkeiten zwar 1,93. Aber erst eine Geburtenrate von etwa 2,1 kann, bedingt durch Todesfälle bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dafür sorgen, dass die Bevölkerungszahl stabil bleibt. Insgesamt liegt die Geburtenrate in Wuppertal bei 1,38.
Aber nicht nur durch diesen geringen Wert, sondern auch wegen der gestiegenen Lebenserwartung wird der Anteil der älteren Menschen in der Stadt stark steigen. Bereits jetzt ist jeder vierte Wuppertaler über 60 Jahre alt. All diese Zahlen bereiten den Sozialversicherern Kopfschmerzen. Das soziale Sicherungssystem steht bei steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen vor großen Problemen. Während manche Politiker die nicht lebensnotwendigen Leistungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen streichen wollen, entwickeln Betroffene andere Modelle. So ist gerade im Bereich der Altenpflege mehr bürgerschaftliches Engagement und Kreativität gefragt. Modelle von alternativen Wohnformen, die das Zusammenleben mehrerer Generationen einschließen, gewinnen an Attraktivität. Der Bereich der ambulanten Pflege konnte in den letzten Jahren substanziell ausgebaut werden. Medizinische Prophylaxe und gestiegenes Gesundheitsbewusstsein verschieben den Zeitpunkt der Pflegebedürftigkeit älterer Menschen nach hinten. Die großen Heime im Grünen taugen oft nur noch als Kulisse für Finanzskandale, wie die Geschichte der Klinik Aprath belegt.
Der demografische Wandel erzeugt den dermatologischen Wandel
Aber die demografische Entwicklung erfordert nicht nur wirtschaftliches Umdenken. Auch der ethische Aspekt verdient Beachtung. Es gab Epochen, in denen war die Lebenserfahrung alter Menschen wichtig. Wer alt war, hatte mehr zu sagen als der, der jung war. In unserer Fit-for-fun-Gesellschaft allerdings ist Jugendlichkeit eine unabdingbare Eigenschaft gesellschaftlicher Macht. Sowohl der Manager wie auch der Medienstar muss faltenfrei daherkommen. Der demografische Wandel erzeugt den dermatologischen Wandel. Aber kann dieser Trend anhalten? Müssen wir immer jung bleiben? Könnte es nach der Herrschaft der Alten über die Jungen und der Herrschaft der Jungen über die Alten nicht auch ein konstruktives und solidarisches Miteinander geben?
Auf dem Markt der Warenwelt scheint ein Umdenken bereits stattzufinden. Der rüstige Rentner ist als liquider Konsument längst erkannt worden und wird als Kunde umworben. Kreuzfahrtschiffe laufen stapelweise vom Stapel. Wandern funktioniert als nordische Disziplin mit knallbuntem Nylon um die Beine und gleich zwei Wanderstäben in der Hand auch für die Generation Ü 70. Mit Hirnjogging wiederum machen sich die Hersteller von Spielkonsolen an die Rentner ran. Und welche Kultureinrichtung, vom Opernsaal bis zur Tageszeitung, könnte ohne die neuen Alten noch bestehen?
Wuppertal wird sich besser wohl als übel auf die Zukunft einrichten müssen. Dabei darf eine biologische Binse nicht vergessen werden. Auch die 30- bis 50Jährigen altern. Wie wird unsere Stadt aussehen, wenn die heute noch jugendlich Scheinenden die öffentlichen Plätze mit ihren Rollatoren bevölkern? Können die aktuellen politischen Entscheidungsträger, die heute an Hüftprothetik geizen und geriatrische Fälle in Heime stecken, auf die Milde der Nachgeborenen hoffen? Eins zumindest wird besser sein – die Beschallung in den Pflegeheimen. Statt Radetzkymarsch gibt es dann Beatles auf die Ohren.
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