Das Ruhr Museum lädt ein zu einer fotografischen Zeitreise durch die Region – aber mal ganz ohne Fördertürme und Strukturwandelgedöns. Es geht allein um die Menschen, die hier leben: Die Herner Fotografin Brigitte Kraemer (geb. 1954) nimmt sie seit über 40 Jahren in den Fokus. Schon das Abschlussprojekt ihres Folkwang-Studiums 1982 erregte Aufmerksamkeit: Alltag im Duisburger Frauenhaus. Originalseiten der sensiblen Fotoreportage aus einem Schutzort, der sonst niemandem Einblick gewährte, sind Teil der Ausstellung – und markieren den Start in eine Karriere als freie Sozialfotografin, die sich unbeirrt ihren Herzensthemen widmet. Durch ihr zugewandtes, empathisches Naturell und soziales Engagement kann sie schnell Vertrauen gewinnen. Ob Frauengefängnis, Friedensdorf, Flüchtlingsheim, Privatwohnung oder Gotteshaus, man öffnet die Türen für sie, lässt sie am Alltag teilhaben und beiläufig mit ihrer kleinen Leica-Kamera fotografieren. So entstehen wunderbar lebendige Bilddokumente, oft gewürzt mit skurrilem Humor. Nichts ist inszeniert, niemand wird bloßgestellt. Jedes einzelne Motiv erzählt eine ganze Geschichte.
400.000 dieser Bildgeschichten umfasst Kraemers Lebenswerk bislang, das Ruhr Museum hat alles für seine Fotografische Sammlung erworben. Rund 200 Aufnahmen wählte das Team nun gemeinsam mit der Fotografin für die Präsentation aus und zeigt in drei Kapiteln vor pastellfarbenen Wänden die bunte Ruhri-Vielfalt.
Los geht’s mit Freizeitspaß der 1980er-Jahre: ein legeres Picknick an der Ruhr, mit Bierchen auf Klappstühlen, beherzte Sprünge in den Rhein-Herne-Kanal, Männer bei der Autopflege, natürlich auch Buden-Bilder, Kraemers bekannteste Reihe. Daneben Anrührendes wie die schwerverletzten Friedensdorf-Kinder beim fröhlichen Spiel. Wichtige fotografische Langzeitprojekte entstanden rund um Migrationsbewegungen – in „Gastarbeiter“-Siedlungen, bei privaten oder religiösen Festen in Moscheen, Kirchen, Synagogen und dem Hindutempel, Hamm
Gerade mal 0,05 Prozent des Gesamtkonvoluts hängen an den Galeriewänden. Lust auf mehr befriedigt der Medientisch. Alle Fotobücher liegen zum Durchblättern aus und ein Bildschirm zeigt, welche Themen die Fotografin aktuell umtreiben. Jeden Monat stellt Kraemer neue Aufnahmen ein, angefangen mit Impressionen der Cranger Kirmes 2025.
Wie man lebt – wo man lebt. Dokumentarfotografien von Brigitte Kraemer| bis 31.8.2026 | Ruhr Museum, Essen | 0201 24 68 14 44
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