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Jaana Caspary, double box, 2023, Courtesy Jaana Caspary
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025

„Matratzen, Kinderspielzeug und aufblasbare Formen“

27. November 2025

Kuratorin Beate Eickhoff über die Ausstellung von Jaana Caspary im Von der Heydt-Museum – Sammlung 12/25

Das Museum hat den Dieter Krieg-Preis „Allen Malern herzlichen Dank“ gewonnen und kauft mit dem Preisgeld eine Skulptur von Jaana Caspary. Zu diesem Anlass zeigt eine Ausstellung bis zum 8. Februar Werke der Wuppertaler Bildhauerin.

engels: Frau Eickhoff, warum kauft das Museum mit dem gewonnenen Preis ausgerechnet eine Skulptur?

Beate Eickhoff: Wenn man den Titel des Preises liest, kommt man vielleicht ins Grübeln: „Allen Malern herzlichen Dank“ – und wir suchen eine Bildhauerin aus. Das war aber für den Vergebenden des Preises kein Problem. Das Museum verfügt nur über wenige Mittel für Ankäufe, und der Preis war für uns eine wunderbare Gelegenheit, einmal zu verwirklichen, was wir länger schon überlegt hatten, nämlich eine Skulptur von einer Vertreterin der jüngeren Generation für die Sammlung zu erwerben. Jaana Caspary gehört definitiv zu den Künstlerinnen hier in der Stadt, die bereits ein größeres Oeuvre besitzen, viel ausgestellt haben und sehr vehement, sehr konsequent dabei sind, an ihrem Werk weiterzuarbeiten.

Beate Eickhoff
Foto: Antje Zeis-Loi
Zur Person:
Beate Eickhoff
 ist seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Von der Heydt-Museums. Zuletzt präsentierte sie dort die Ausstellungen „Zero, Pop und Minimal“ und „Franziska Holstein – Freundschaftsanfrage No.2“. Ihre Schwerpunkte sind die klassische Moderne und die zeitgenössische Kunst.

Was ist das Besondere an der Arbeit der Wuppertaler Bildhauerin?

Wenn man die Skulpturen von Jaana Caspary auf unsere Sammlung bezieht, dann reihen sie sich dort sehr gut ein. Wir haben aus den 1960er, 70er Jahren einiges an Werken, die auf der einen Seite so etwas ornamental, seriell, minimalistisch sich präsentieren und auf der anderen Seite aber auch mit dem Alltag verbunden sind. Jaana Caspary nimmt Formen aus dem Alltag, banale Formen, auf, entzieht sie damit dem Alltagsleben und überführt sie in Kunst. Das sind Aspekte, mit denen verschiedene Künstler:innen unserer Sammlung auch schon gearbeitet haben. Wir schauen auch immer, dass die ausgesuchten Werke in einen größeren Kontext passen, der sich als mögliche Basis für neue Ausstellungen anbietet.

Die bronzene „Double box“ aus 2023 hätte aber auch von Tony Cragg oder Didier Vermeiren sein können, oder?

Ich glaube, da gibt es Feinheiten, Skulptur ist ja ohnehin oft enger begrenzt als Malerei. Wenn Sie sich beispielsweise Skulpturen aus den 1950er Jahren anschauen, die sind vielfach Variationen des Figurativen. Und es macht überhaupt nichts aus, wenn Künstler voneinander lernen. Jaana Caspary hat ja bei Tony Cragg im Atelier gearbeitet und bei Didier Vermeiren studiert. Trotzdem hat sie ihre ganz eigene Art entwickelt. Es ist natürlich schwer, den überdimensionalen Lehrern zu entkommen, aber ich denke, es gelingt ihr sehr gut, weil sie tatsächlich ein paar Aspekte ausarbeitet, die sehr eigen sind. Zum einen, dass sie eben diese banalen Objekte nimmt, diese immer in ein abstrahierendes Volumen verwandelt, das von innen heraus wächst. Diese Ursprungsformen, das können Matratzen, Kinderspielzeug, aufblasbare Formen sein, das ist schon etwas Spezielles. Zum andern ist aber auch die Oberflächenbearbeitung bei ihren Werken immer etwas Besonders.

Mich haben die Arbeiten durch die Abformungen zuerst an Rachel Whiteread aus den Neunzigern erinnert.

Rachel Whiteread hat eher die Leerräume abgeformt. Jaana Caspary arrangiert. Sie verdoppelt Formen. Bei den Matratzen zum Beispiel und auch bei unserer „Double box“ sieht man das. Da sind beispielsweise die acht Matratzenformen, installiert über- und nebeneinander an der Wand. Die äußeren verfügen über eine Art Rücken- und Armlehnen. Auch da handelt es sich um eine Spiegelung von weitgehend identischen Formen, die sich dann aber doch immer ein bisschen unterscheiden. Man sieht, dass das ganze Ensemble zu einem gewissen Grad auch Handarbeit ist. Die einzelnen Elemente und ihre Komposition sind bewusst nicht makellos ausgeführt. Dadurch haben die Skulpturen Casparys aber etwas sehr Persönliches, so dass man sich damit identifizieren kann. Das finde ich einen großen Unterschied zu Whiteread.

Was ist in der Ausstellung noch zu sehen?

Neben „Double box“ und „Sweet monument“ – das ist die Skulptur, die an Schokoladetafeln erinnert – gibt es, ebenfalls auf der Matratzenform basierend, jenes große, runde, schwarze Objekt, das an der Wand lehnt und dem Anschein nach in sich zusammensackt. Man assoziiert sofort etwas, auch wenn der Titel „Unit Ø,“ sich konkret auf die Form zu beziehen scheint. Eine Art Hundekissen. Dabei ist das Ding vom Material her eigentlich ganz fest; Kissen – das ist nur ein optischer Effekt. Dazu kommt die tiefschwarz metallisch glänzende Oberfläche, die der Kissen-Anmutung zuwiderläuft. Die horizontal sich ausbreitende Objektinstallation an der Wand, „Landschaft“, verweist eindeutig auf Polstermöbel, und dazu passt hier dann auch die samtige, warm wirkende Oberflächenstruktur. Dann gibt es weitere Werke, die nicht dieser Matratzenform folgen, sondern Wachstumsformen. Auch da spielt wieder die Doppelung von Formen eine Rolle. Die Bodenskulptur „Swirl“ ist wie ein Wirbel geformt und besitzt eine kostbar anmutende, goldene Oberfläche. „In flames“ lässt tatsächlich an Flammenzungen denken; es geht aber nicht um erinnerte Formen, nicht um Formen des Alltags, auch wenn sie die Basis bieten, sondern es geht um die Neuerfindung von Formen, um deren Volumen und um deren Oberflächenpräsenz.

Und das Ganze wird in Beziehung gesetzt zu „Malsch Wanne“ von Dieter Krieg von 1970.

Genau. „Malsch Wanne“ steht ja auch direkt auf dem Boden. So hat Dieter Krieg sich das vorgestellt; das Bild hat auch etwas sehr Reduziertes, nicht nur farblich, sondern auch von den Formen her. Es changiert zwischen Gebrauchsgegenstand und abstraktem Bild.

Muss man derartige Ausstellungen besonders begleiten?

Ich denke, man kann mit den Skulpturen sofort etwas anfangen, weil man ja Formen wiedererkennt. Das ist das eine. Und man fängt sofort an zu überlegen, was die Künstlerin damit gemacht hat. Interessant sind auch kleine Details, so zum Beispiel bei dieser Schokoladenform; hier wird nicht die Außenhaut der Matratze abgeformt, sondern die Innenwand einer Luftmatratze. Vor allem wird man aber auch körperlich angezogen, weil man so ein Gefühl von Weiche, von „ich kann das anfassen“ oder „ich kann mich da reinkuscheln“ hat, obwohl beides tatsächlich nicht möglich ist.

Dieter Krieg-Preis: Jaana Caspary | bis 8.2. | Von der Heydt-Museum | 0202 563 62 31

Interview: Peter Ortmann

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