engels fragt: Welche Initiativen zeigen uns den Weg?
„Ich habe eine Mieterhöhung bekommen. Muss ich die zahlen?“, „Meine Nebenkostenabrechnung – kann die geprüft werden?“, „Die Heizung funktioniert nicht. Was kann ich machen?“: Fragen, die vielen Menschen schlaflose Nächte bescheren und Fragen, die Andreas Wiemann regelmäßig zu hören bekommt, wie er erzählt. Der 50-jährige arbeitet seit 19 Jahren als Rechtsberater beim Mieterbund Wuppertal und ist dort seit mittlerweile 10 Jahren auch Geschäftsführer. „Unsere Aufgaben sind es, den Mietern rechtlichen Rat zu geben, bei Mietmängeln zu helfen, Mieterhöhungen und Nebenkostenabrechnungen zu prüfen und auf politischer Ebene dafür zu sorgen, dass die Stimme der Mieter nicht ungehört verhallt.“
Darum sind beim Mieterbund vier Volljuristen angestellt, die sich professionell um Rechtsfragen kümmern und wenn nötig auch die Korrespondenz mit der Gegenseite führen. Dabei sei es zunächst immer das Ziel, Konflikte außergerichtlich zu lösen, verrät Wiemann. Gemäß der Zivilprozessordnung dürfen die Vertreter der Mieterbundes ohnehin nicht in etwaigen Prozessen auftreten. Allerdings sind Mieter im Rahmen einer Mitgliedschaft im Mieterbund prozesskostenversichert. Der Jahresbeitrag für eine Mitgliedschaft beträgt für private Mieter 90 Euro pro Jahr. Wenn eine Mietrechtschutzversicherung bereits besteht, beträgt der Betrag jährlich 67 Euro. „Wir sind eine Selbsthilfeorganisation“, sagt Wiemann und erläutert: „Wir bekommen keine öffentlichen Gelder, sondern finanzieren uns ausschließlich aus den Beiträgen unserer Mitglieder. Ohne Mitglieder gäbe es keinen Mieterbund.“ Da es davon jedoch stets genug gibt – aktuell sind es etwa 12.000 –, kann der Mieterbund schon auf eine lange Geschichte zurückblicken: Im kommenden Jahr steht das hundertjährige Vereinsjubiläum vor der Tür.
Der Wuppertaler Mieterbund, der genau genommen Deutscher Mieterbund Wuppertal und Umgebung e.V. heißt, ist zudem in einem Landesverband und einem Bundesverband organisiert. Bundesweit seien es rund 1,3 Millionen Mitglieder, die durch den Mieterbund vertreten werden, berichtet der Rechtsberater. Dabei sind die Probleme der Mieter in Wuppertal durchaus nicht die gleichen wie in anderen Orten, weiß Gerd Lange, der Vorstandsvorsitzende des Wuppertaler Mieterbundes: „Wir sind nicht zu vergleichen mit den Städten Köln und Düsseldorf. Die haben andere Sorgen als wir. Wir haben hier nicht die Not, dass keine Wohnungen zur Verfügung stehen. Wir haben hier einen relativ hohen Leerstand.“ Folglich sei auch gegenwärtig keine Gentrifizierung in Wuppertal festzustellen. Dem stimmt auch Wiemann zu: „Wir haben derartige Entwicklungen nicht beobachtet. Wir haben nicht diese Drucksituation wie auf der Rheinschiene. Die letzte Mietpreisspiegelerhöhung lag unterhalb der Inflationsrate und wir haben sogar gehört, dass Vermieter modernisieren, aber gar nicht in der Lage sind, die komplette Modernisierungserhöhung an die Mieter weiterzugeben weil die Sorge besteht, dass sie dann die Mieter verlieren.“
Aufgrund dieser, aus Mieterperspektive günstigen, Verhältnisse sei es attraktiv, in Wuppertal zu wohnen: „Bevor ich zehn Euro pro Quadratmeter in Düsseldorf zahle, zahle ich lieber sechs in Wuppertal“, so Wiemann. Lange ergänzt: „Der Traum unseres Oberbürgermeisters ist ja, dass Menschen aufgrund unserer Mietmarktsituation aus Düsseldorf oder Köln hier hin ziehen, denn wir haben ja gute Zugverbindungen“. Angst vor Gentrifizierung in Wuppertal hat der 80-jährige trotzdem nicht: „Aber ich glaube nicht, dass es so einen großen Zustrom geben wird, dass er unsere Mieten in Bewegung bringen wird.“
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