Nur der Anfang ist schwach. Mit seinen Wandtexten und dem mittigen, die Durchsicht versperrenden Wandelement, das die langgezogenen Räume ankündigt, wirkt die Ausstellung nicht so feierlich wie sie dann tatsächlich ist: Fast käme man nicht auf die Idee, dass hier, im Obergeschoss der Bundeskunsthalle, eine der schönsten Ausstellungen des abgelaufenen Jahres gezeigt wird. Vorgestellt werden Meisterwerke der (überwiegend) französischen Kunst vor und nach 1900, die sich sämtlich in japanischen Sammlungen befinden und teilweise noch nicht in Europa gezeigt wurden. Die Auswahl der Gemälde und Skulpturen reicht von der Schule von Barbizon über den Impressionismus, der das Zentrum bildet, zu den Neoimpressionisten und Nabis. Alle großen Künstlernamen sind vertreten, teils im vergleichenden Nebeneinander, teils in einzelnen Abteilungen ganz für sich. Dieser Bestand ist sensationell. Wenig erstaunlich ist, dass sich darunter die bekanntesten, populärsten Motive finden. Denn die Impressionisten haben sich wiederholt ihren Orten und Dingen zugewandt, schließlich ging es ihnen um das Einfangen von Stimmungen und Erfassen des Wesentlichen zu unterschiedlichen Lichtverhältnissen. So kommt es, dass in der Bonner Ausstellung etwa Monets Häuser im Schnee und die Seerosen, Cézannes Sainte-Victoire und seine Äpfel auf einem Tischtuch und Bonnards Akte zu sehen sind und auch die Bronzeplastiken von Rodin – und nicht nur sein Modell des berühmten „Kuss“ – uns sofort vertraut vorkommen.
Natürlich wirft diese Ausstellung etliche Fragen auf, und dann ist es wiederum gut, dass sie die reine Information nicht vergisst. Grundlage für den Austausch zwischen Frankreich und Japan war die politische und wirtschaftliche Öffnung Japans Mitte des 19. Jahrhunderts. Die französischen Künstler interessierten sich für die damals unbekannte Kultur. Vor allem Claude Monet sammelte die Ukiyoe-Holzschnitte; für seine Malerei übernahm er deren Kompositionsschemata. Auch sein Wassergarten in Giverny ist von japanischen Vorbildern angeregt. Dies ging insgesamt mit dem Phänomen des Japonismus in der Kunst einher, der in vielen Details der impressionistischen Bilder zu entdecken ist. Im Gegenzug – und in Verbindung mit der Freilichtmalerei und der Naturwiedergabe der Franzosen – begeisterten solche Identifikationsmerkmale die Sammler und Künstler in Fernost. Um 1900 studierten etliche von ihnen in Europa, insbesondere in Paris und München. Auch diese Künstler, die damit die moderne japanische Malerei begründeten, sind in der Bundeskunsthalle vertreten. Vorgestellt werden zudem die wichtigen Museen und die herausragenden Sammler der impressionistischen Kunst in Japan. Die Ausstellung ist also Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung, damals und heute.
„Japans Liebe zum Impressionismus – Von Monet bis Renoir“ | bis 21.2. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Haptik der Oberflächen
David Semper bei Rolf Hengesbach
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Neues aus der Kunstszene
Discovery Art Fair in Köln
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – kunst & gut 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Leben ins Museum
Neue Sammlungspräsentation des MO im Dortmunder U – kunst & gut 06/23
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Antennen in die Zukunft
„The Camera of Disaster“ in Mönchengladbach – Kunst in NRW 09/22
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23