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Günther Blau, Roter Mischkessel, Gouache auf Karton, 22,8 x 27,4 cm, Von der Heydt-Museum, Wuppertal
© Nachlass Günther Blau

Die Schönheit an ereignislosen Tagen

31. Juli 2014

Eine Werkschau der Malerei von Günther Blau im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 08/14

Am eindrucksvollsten im Werk von Günther Blau sind die Porträts und die Stadtansichten: in der Innigkeit der malerischen Erfassung bei gleichzeitigem trockenen Realismus und in der Ausschließlichkeit, mit der sich Blau seinen Motiven gewidmet hat. Meist ist überhaupt keine Umgebung um die Porträts zu sehen, vielmehr ist alles auf das Gesicht, die Körperhaltung und die Geste konzentriert. Und die urbanen Situationen sind in der Regel menschenleer. Dabei hat Günther Blau gerade keine bedeutenden Architekturen oder Denkmäler gemalt, sondern eher unbeachtete „Ecken“. Der Blick gleitet eine Mauer entlang oder über eine Fassade und unter einer Eisenbahnbrücke hindurch. Oder ein Platz ist von Reihenhäusern flankiert. Eine Straße windet sich von der Anhöhe einer Ortschaft in ein landschaftliches Tal hinab. Alles ist aufgeräumt und fern jeder Beunruhigung oder Bewegtheit. Nichts passiert, dadurch rückt in den Blickpunkt, was wir sonst übersehen. Wir werden zu Augenzeugen bei Bildern, die im moderaten Format, konventionell gerahmt, so gar kein Aufsehen um sich machen. Günther Blau muss ein sehr höflicher, bescheidener Herr gewesen sein.

Still und leise hat das Von der Heydt-Museum in seinem hinteren, über das Foyer zu erreichenden Ausstellungsbereich eine Reihe etabliert, die nach Karl Kunz also Günther Blau vorstellt. Geboren 1922 in Elberfeld, 1977 ausgezeichnet mit dem Eduard von der Heydt-Preis der Stadt Wuppertal und 2007 gestorben an seinem langjährigen Wohnort Marburg, gehört Blau zu den Künstlern der Nachkriegsjahre, die sich zwischen den expressiven Existenzialisten und den neuesten Tendenzen der Avantgarde unbeirrt für die konventionellen Traditionen entschieden haben und dieser in großer Virtuosität folgen, aber schließlich in Vergessenheit geraten sind. Günther Blau hat sein Metier von der Pike auf gelernt. Während seiner Wuppertaler Schulzeit ist der Bildhauer Harald Schmahl sein Nachbar; selbst studiert Blau zunächst Skulptur an der Düsseldorfer Kunstakademie. Nach dem Krieg setzt er das Studium an den Akademien in München und ab 1952 in Karlsruhe fort. Dort ist Wilhelm Schnarrenberger sein Lehrer. Schnarrenberger ist der Meister des lapidaren Stilllebens. Für Blau wird auch Giorgio Morandi wichtig: in seiner konzentrierten Hingabe an einzelne Gefäße, die er in wechselnden Konstellationen immer wieder malt. Darauf nehmen in der Ausstellung im Von der Heydt-Museum auch Blaus hyperrealistische Trompe-l'oeil-Malereien Bezug, die noch seine Beschäftigung mit der niederländischen Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts erkennen lassen. Blau zeigt, dass er die altmeisterlichen Techniken und auch ihre Sinnbilder verstanden hat. Das kommt auch bei den Porträts und Stadtdarstellungen mit einzelnen beiläufigen Details zum Ausdruck, welche die jeweilige Befindlichkeit und Einzigartigkeit herausarbeiten. Günther Blau beobachtet: Er tastet Oberflächen ab, widmet sich industriellen Maschinen und Mauerwerk, auf dem das Tageslicht und der Schatten spielen. Das wird erst recht bei seinen Schilderungen italienischer Ortschaften deutlich, die einen Platz oder Treppen zeigen und dem Blick in eine Gasse folgen, während die Menschen in der Kirche oder am Mittagstisch scheinen. Günther Blau schafft einen weiten Raum im Sinne der Pittura Metaphisica von Giorgio de Chirico. Zeit spielt hier keine Rolle; schade nur, dass wir in Wuppertal diese Bilder lediglich bei Kunstlicht sehen können.

Also, zwischen den Meistern der klassischen Moderne, die im Von der Heydt-Museum so vorzüglich präsentiert sind, und der jungen Malerei von heute, wie sie in der Kunsthalle Barmen favorisiert wird, hat das Von der Heydt-Museum ein Faible für andere, einzelgängerische Positionen – vielleicht erweitert es diese Gabe ja demnächst auch auf heutige Künstler.

„Günther Blau – Magie des Alltäglichen“ | bis 24.8. | Von der Heydt-Museum | 563 62 31

THOMAS HIRSCH

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