
Wo in Europa hat Marxsches Denken derzeit eine reelle Chance, gerade angesichts nach rechts driftender Staaten wie Polen oder Ungarn? Ein Blick nach Spanien verrät: Die Partei Podemos als linker Antagonist bildete schnell einen Gegenpol zu den alteingesessenen Parteien im Parlament. Als drittgrößte zog sie 2016 erstmals neben Konservativen und Sozialisten ins Parlament ein.
Gerade in jenem Jahr sollte das Land noch stark gebeutelt werden. Die meiste Zeit gab es keine regierungsfähige Koalition; Neuwahlen waren an der Tagesordnung. Tontocracia, die Herrschaft der Bekloppten, nannte es der Volksmund. Weder Gesetze noch einen neuen Haushalt für das kommende Jahr konnte das Parlament so verabschieden. Dabei hätten die vermeintlichen Wahl-Gewinner des konservativen Partido Popular (PP) es sich leicht machen und ihren Blick nach links wenden können.
Inklusive einer weiteren Partei wäre diese Koalition regierungsfähig gewesen. Die Wählerschaft hätte sich innerhalb der Regierung repräsentiert gefühlt. Denn Podemos war aus den landesweiten Protestcamps des Movemiento 15-M von 2011 entstanden. Sie setzt sich aus ‚Indignados’, den Empörten aus linken Bewegungen wie etwa der Anti-Globalisierungs-Bewegung und auch Widerständlern aus der Politik zusammen. In ihren Protesten standen sie gegen Ungleichheit und Korruption auf. Podemos hat genau dieses Protestpotenzial absorbiert und den Menschen ein Forum eröffnet, ihre Themen in die politische Debatte zu integrieren. Im Zuge der Finanzkrise war das Zeitgeist und wirkte wie Balsam auf die geschundene spanische Seele.
Die ersten Jahre seit Parteigründung sind ins Land gegangen. Inzwischen hat der politische Alltag auch die Protest-Partei Podemos ein Stück weit eingeholt. Die Führungsriege um Pablo Iglesias und Íñigo Errejón streitet sich nun darum, wer denn jetzt die Hosen anhat und wie radikal die Partei wirklich auftreten will. Aber das ist nur Makulatur. Viel wichtiger wird die Positionierung gegen den erneut erstarkenden rechten Flügel um die Partei Ciudadanos sein.
Vom Marxschen Standpunkt aus hat Podemos die Kämpfe des Movemiento 15-M dorthin getragen, wo sie bearbeitet werden können – in den politischen Diskurs. Ein wirksames Instrument, um auf die gesellschaftlichen Missstände aufmerksam zu machen. Inwieweit die Mitglieder in der Lage sein werden, die daraus entstehenden Konflikte in die Bewegungen, aus denen sie entstammen, zurück zu spielen, bleibt abzuwarten. Vielleicht ordnen sie sich auch schneller als gedacht dem politischen Establishment unter oder verlieren sich in weiteren Nebenschauplätzen.
Doch das Potenzial zur Veränderung wäre da. Und soweit die inneren Kämpfe der anführenden Köpfe überwunden werden, kann die Partei sich daran machen, ihre eigentliche Aufgabe wieder zu übernehmen – linke Themen im Parlament wirksam präsent zu halten.
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