Es war ein schönes Symbol. Während sich viele Beobachter fragten, warum die neue B7 gleich acht Fahrspuren für den motorisierten Individualverkehr bereithalten muss, schwang sich Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke zur Wiedereröffnung um Punkt drei Uhr nachts auf sein Rennrad. Die erste Gruppe, die nach der Sperrung über Wuppertals neue Durchgangstraße rauschte, war ein Fahrradkonvoi. Die Botschaft: Die Stadt nimmt das selbsterklärte Ziel, bis 2025 zur Fahrradstadt zu werden, durchaus ernst.
Fast noch wichtiger als das Bekenntnis des OB waren deshalb die jungen Radler, die ihn auf seiner nächtlichen Tour begleiteten: Ehrenamtliche der IG Fahrradstadt, die sich seit etwa drei Jahren dafür engagiert, dass Radfahren in Wuppertal noch populärer wird. Christoph Grothe ist einer von ihnen. „Wir erleben, dass es in Wuppertal spätestens seit Eröffnung der Nordbahntrasse bei vielen Menschen den Wunsch gibt, mehr für den Radverkehr in der Stadt zu tun“, sagt der langjährige Betreiber des Fahrradblogs Talradler.
Das Fahrrad auch im Alltag zu etablieren, das ist die Mission der IG Fahrradstadt. „Da hat sich in den letzten Jahren durchaus einiges getan“, erklärt Grothe. Immer mehr Menschen führen mit dem Rad zur Arbeit und auch die Trasse sei längst nicht mehr nur Freizeitweg, sondern werde zunehmend als schneller Verkehrsweg entdeckt.
Die Fahrradinitiative hat mit der Zeit viele Ideen entwickelt, wie man das Rad attraktiver machen kann. Das Lastenrad Fienchen, das die IG für schwerere Transporte zum Ausleihen anbietet, ist in der Stadt inzwischen schon recht bekannt. Auch der selbst entwickelte Stadtplan für Radler, auf denen diverse Fahrradrouten durch die Stadt dargestellt sind, hat in Wuppertal schon einige Beachtung gefunden.
Inzwischen ist die IG Fahrradstadt, die sich einst recht zufällig über einen gemeinsamen Zeitungsartikel gründete, aber auch mit fahrradpolitischen Anliegen hörbar. „Man fragt sich schon: Warum wird am Döppersberg ein neues Radhaus gebaut, wenn gleichzeitig den Radfahrern auf der B7 daneben zu wenig Platz geboten wird?“, beschreibt Grothe ein typisches Anliegen. Der Vorschlag der Gruppe: Eine durchgehende B7-Umweltspur, die sich Fahrradfahrer und Busse teilen. „Das ist natürlich allein rechtlich gesehen eine recht anspruchsvolle Idee“, sagt Grothe. „Aber wenn der politische Wille da ist, schaffen wir das schon.“ Manchmal ist das Verhältnis zur Lokalpolitik eher schwierig. So arbeitet der Verein zusammen mit anderen Radverbänden seit Jahren an der Freigabe des Oberdörnen, um eine gute Fahrradverbindung vom Loh ins Barmer Zentrum zu schaffen. Im Verkehrsausschuss scheiterte dieser gemeinsam mit der Verwaltung ausgearbeitete Entwurf aber bisher an politischen Mehrheiten. „Schon merkwürdig, denn der Wunsch, Wuppertal bis 2025 zur Fahrradstadt zu machen, ist doch auch ein politisches Ziel“, sagt Grothe.
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