Es gibt 7 Beiträge von Typewriter
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08.10.2008
Zwar läuft der Film nicht mehr im Kino, allerdings ist er gerade frisch auf Kauf-DVD erschienen und ich habe mich doch dazu entschlossen, ihn mir trotz einer bestimmten Überlegung zu Gemüte zu führen: Beinahe in jedem US-Film, der etwas Dramatik oder menschliche Entwicklung erhalten soll, steht ein schier erfolgreicher, intelligenter, schöner oder schlagfertiger Hauptcharakter. Da ich der Meinung bin, dass der Mensch zumindest seine Fehler kennen muss, finde ich den Ausbruch oder Umbruch eines "geordneten, erfolgreichen, perfekten" Lebens als Heuchelei und letzten Endes einfach uninteressant.
Was mich an diesem Film begeistert hat, war vor allem der Charakter des Hauptdarstellers, dem von allen seinen Mitreisenden und Freunden Zweifel entgegenschlugen. Zwar hatte er ein geordnetes Leben und war sicher auch ein geliebtes Kind, wie Hippiebraut Jan es formuliert hat, rein subjektiv und im Laufe seiner Erfahrung muss das aber wirklich nichts bedeuten. Er war verletzt, musste ein Spiel mitspielen und hat früh die Fehler erkannt, die Menschen aus seiner Nähe gemacht haben. Natürlich kann man es aburteilen und verzeihen, andererseits ist ihm auch ein Stück Heimat verloren gegangen. Deshalb ist es nicht gutgläubig oder naiv, einfach aufzubrechen um sie zu finden. Es ist ein Trieb, eine Bestimmung für sich selbst und ein anderer Sinn des Lebens. Naiv finde ich da eher, allein aus Liebe heraus Forderungen an seine Mitmenschen stellen zu können. Genau das hat dieser Aussteiger nicht getan!
Und natürlich ist diese Ideologie nicht einwandfrei. Aber ihm Weltfremde, Egozentrismus oder Unfähigkeit für Liebe wirklich vorwerfen zu wollen, halte ich für schlichte Arroganz. Für eine weitaus größere Arroganz jedenfalls, als die Sehnsucht, sich abheben und isolieren zu wollen. Einerseits finde ich die Kälte der Eltern und die Fehler, die sie gemacht haben, recht radikal und stereotypisch dargestellt (man erinnere sich an das Video mit dem neuen Auto, das die Mutter so dekadent preist), jedoch kann ich diese seelische Gewalt und die Verletzung, die McCandless wohl etwas geschädigt haben, nachvollziehen. Er ist nunmal 23, hat aber wenigstens die Konsequenz und Geradlinigkeit, die vielen fehlt. Ich finde ihn auch in keiner Weise selbstherrlich. Und egozentrisch am allerwenigsten! Er lehnt niemanden ab, auch wenn er vielleicht ein Urteil bildet. Trotzdem ist er für alle, die er trifft, zugänglich, lebt mit ihren Fehlern und heilt auf eine Weise, die man wirklich als fair bezeichnen kann. Jedenfalls ist die Identifikation mit ihm, was mich angeht, wirklich gelungen. Vor allem, weil ich eine ähnliche Reise hinter mir habe, aus ähnlichen Gründen und mit dem Vorsatz, noch weitergehen zu wollen. Auf der anderen Seite habe ich glücklicherweise früher die Erkenntnis gehabt, dass man Glück teilen sollte.
Und doch gibt es auf dieser Welt genug Gründe, Schicksale und gesellschaftliche Dissonanzen, die Menschen in die Einsamkeit treiben. Zuletzt finde ich, hat niemand diese Einsamkeit so gut genutzt wie Christopher Johnson McCandless.
Ich bin dankbar für diese Offenbarung!
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07.10.2008
Ich war zwar schon in der Preview am Mittwoch Abend und habe mir mit meiner Meinung recht Zeit gelassen, was mich nun wohl zum Mitläufer abstempeln könnte... Wenn ich denn eine wirkliche Meinung zu dem Stück hätte! Das ist wirklich schwierig. Man kann den Herrschaften, denen der Film nicht gefallen hat, gar keinen Vorwurf machen. Zumindest nicht in dem Faktum, dass ihnen der Film nicht gefallen hat. Dass man ihn aber verreißt, finde ich auf der anderen Seite auch nicht legitim. Soll heißen: Hier gibt es keine schlechten Schauspieler-Leistungen, keine Logiklücken, keine verzogenen Akzente... Eigentlich gibt es gar nichts, was man anprangern könnte. Das Ergebnis zusammen genommen ist genau das, was die CIA da treibt: Eine Farce, die eine "bekloppte" Tippse aus einem Fitness-Studio als Quotengewinnerin hat. Und dass die Ehefrauen die Einsiedlerkrebse darstellen und die Kerle die zu zu klein geratenen Muschelhäuser, ist auch offensichtlich ein absurd schmeckender Mitternachtshappen.
Niemand wird zu lang vorgestellt, denn es wird auch niemand entstellt, zumindest nicht story-technisch.
Insgesamt ein beständiger Film mit schwarzem Humor, der hält, was er verspricht. Nur was hat er versprochen...? Ein Meilenstein zu werden? Im Ernst, wer ein Fan der Coen-Brüder ist, müsste wissen, dass man da nichts ernst nehmen muss!
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16.09.2008
Wenn Filme in ihrem wesentlichsten Punkt verstanden werden sollen, so ist "The Dark Knight" wohl vor allem eins: Ein absurder Thriller.
Um direkt an vorangegangene Kommentare anzuschließen, versuche ich mal schnell, die wichtigsten Kritikpunkte nach dem Schema "absurd" und "Thriller" aufzurollen:
Der Film war - so finde ich - schon ab dem Zeitpunkt absurd, in dem die Idee geboren wurde, einen weiteren "Batman"-Film zu drehen. Ein Millionär im High-Tech-Fledermaus-Kostüm springt von Häusern, umwickelt Flugzeuge mit Wetterballons und kloppt eine SWAT Einheit zusammen. Das sind Dinge, die eine Taliban-Dokumentation wohl vermissen lassen werden. Also warum sollte man ihm den Willen zur Realitätsnähe vorwerfen? Das Setting mag optisch sehr von den Comics auf Schwarzpapier abweichen und auch gewöhnungsbedürftig sein, letztlich formen aber die Charaktere ihr Umfeld. Ein Jim Gordon, der im Reihenhaus von den Straßen zerquetscht wird, der sozusagen in der kriminellen Welt tauchen geht; ein Bruce Wayne, dem nicht viel geblieben ist als ein kahler, kalt beschienener Raum mit nem PC - mehr Monitor als Hochleistungsrechner-, ein Harvey Dent, der von der Mafia gejagt wird und noch nicht einmal zu Hause in der heimeligen Küche ein Bier trinken darf. Zugegeben, was Batman in Hong Kong will, ging mir auch nicht so recht auf, jedoch hat Gotham das erfüllt, was die Stadt auszeichnet: Sie lässt ihre Statisten vollkommen allein.
Was die Statisten angeht: Der Joker nimmt einen großen Platz ein, obwohl man sich nicht so recht satt sehen konnte an kleinen Seitenhieben in erzwungen tragisch-sadistische Situationen, wie zum Bleistift ;-) dem Überlebenskampf der drei verbliebenen Handlanger des P.Diddy-Paten. Einfach und konsequent.
Gordon hat tolle Szenen, vor allem die Beziehung zu Batman ist eine Belastungsprobe für ihn, was sich in vielen Szenen wie dem Verhör vom Joker durch Batman zeigt und schließlich in dem Plan, in 5 Minuten die Fährentragödie zu lösen.
Ein wirklicher Kritikpunkt ist jedoch Maggie Gyllenhaal als Rachel. Da möchte ich aber nichts Wertendes schreiben. Aus Erfahrung weiß ich, dass Kerle sich im Film auf Kerle fixieren und die Frauen sich mit den Damen identifizieren wollen. Daher habe ich den Part meiner Freundin überlassen. Zitat: "Irgendwie hässlich und langweilig. Ich mag sie einfach nicht, genau wie Spider-Mans Alte da...". Geschmacksache.
Was summa summarum den guten Thriller ausmacht, sind wieder die Szenen, die an das Erfolgsrezept aus "Batman Begins" anknüpfen: Die blanke Angst.
Erzeugt durch Massenpanik, Terrorvideos, dauernde dahingeraffte Nebendarsteller, Verrat und Verzweiflung und nicht zuletzt dem positiv nervenzerrenden Soundtrack.
Leider blieb die verräterische Stimmung in Gothams Polizeirevier etwas auf der Strecke. Die Machtlosigkeit aus sich selbst heraus war ein toller Ansatz, die Starrsinnigkeit und Verbarrikadiertheit der führenden Politiker und Polizeichefs ließen etwas zu viel Raum für banale Floskeln zu einer Moral, die für den Joker gar nicht zählt. Hier hätte man noch etwas mehr investieren können von der langen Spieldauer. Allerdings entschädigen die Szenen wieder, in denen die musikalische Spannungshupe richtig aufgedreht wird wie ein pfeifender Wasserkessel. Da wurde es mir eng im Herzkasten.
Am Ende liefert der Film noch viele Aspekte, auf die man genauer eingehen und von denen man in etliche Richtungen ausgehen kann. Ich hoffe nur, dass dieses Format beibehalten wird. Obwohl uns wohl wieder ein kleiner Umschwung mit der Neubesetzung des Jokers oder etwas übermenschlicheren Gegnern bevorsteht.
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06.08.2008
Ich muss hier wirklich noch, nachträglich, eine Lanze brechen. Ich frage mich immer wieder, was manche Zuschauer erwarten, woran sie einen Film messen und ob wirklich verstanden wird, was im hier so wichtigen Hintergrund verborgen liegt. Wer Zhang Yimou wirklich kennt, redet nicht von kulturellen Unterschieden, redet nicht von Patriarchat, redet nicht von schwerer Kost und redet schon gar nicht von mangelnder Dramatik. Und nebenbei: Dramaturgie ist nicht Dramatik. Dramaturgie ist eine theoretische Disziplin, die in der Theaterwissenschaft die Komposition aller betrieblichen Vorgänge erklärt. Der Begriff wird hier oft genug falsch benutzt. Und wenn er doch mal richtig interpretiert wird, vergisst der Verfasser leider viel zu oft, auf wirklich ALLE Bereiche einzugehen. Wer hier "dramaturgisch" tätig wird, müsste ein Buch zum Film schreiben.
Zum Film selbst ist zu sagen, dass Zhang Yimou mit den Arbeiten daran angefangen hat, nachdem er die Oper "Turandot" in Deutschland inszeniert hat. In mehreren Interviews hat er seine Liebe zu westlichen Dramaturgen ;-) wie Shakespeare erklärt, hat vor allem das Theater zu seinem Credo gemacht. Dass seine letzten Filme, "Hero" und "House of Flying Daggers" eingeschlossen, für manche etwas steril daherkommen, liegt daran, dass sie der klassischen Form des Dramas sehr genau angepasst sind. Genau, das Ding in 5 Akten, mit der Klimax.
"Der Fluch der goldenen Blume" ist, was das angeht, die Filmversion eines Kammerspiels. Eben eines solchen, was man auf puristischen Bühnen auf 3Sat zur Genüge sieht. Manchmal mit abstrakteren Kostümen, aber meistens eben steril und auf die Handlung beschränkt. Ab und zu auch mal besungen, aber auch die Melancholie einer Sopranstimme mag nicht jedem auffallen.
Während die meisten auf ein Schlachtenepos, eine malerische China-Landschaft, eine Heul-Arie oder etwas derartiges Pop-Corn-zehrendes gewartet haben, ist ihnen wohl nicht in den Sinn gekommen, dass sie gestern noch in Harry Potter gesessen und das Denken dem sprechenden Hut überlasssen haben. Auch in diesem Film muss nicht allzu viel gedacht werden, jedoch befinden sich genug Stilmittel und eindeutige - ja, eindeutiger geht es ja gar nicht mehr - Anzeichen dafür, dass wir hier in einem Bühnenstück auf Leinwand sitzen. Der Palast ist zwar pompös, aber auf kubistische Räume begrenzt. Das Sichtfeld soll zwar weit wirken, die Farben schieben aber genügend Wände und Begrenzungen hinein, um den Fokus auf die Personen zu legen. Vor allem die Farben sind es, die die starren Regeln des Kaisers wiederspiegeln. Würde man dem Chef da mal zuhören, könnte einem auch die ganze Bandbreite an Konsequenzen für die Königin bewusster werden. Die ganze Tragik, die in ihrem Wesen steckt. Des Kaisers Ideologie steht seinen eigenen Handlungen gegenüber, er rechtfertigt sich und treibt die Handlung voran, und doch ist er durch seine Starrsinnigkeit der am meisten begrenzte Mensch dieses Stücks. Da gibt es schon Parallelen zu König Kreon aus der Geschichte der Antigone.
Die Intrigen und Verwünschungen sind bei Gott keine moderne Seifenoper. Wir befinden uns, wie eine Vorrednerin schon gesagt hat, eben nunmal in etwas, was man auch mit Barock bezeichnen könnte. Gong Li wird da auch nicht singen, tanzen oder kreischend am Boden liegen. Das Motiv der Blume, vollgepumpt mit Gift soll auch kein Heidegras im Nordwind darstellen.
Die große Kampfszene hatte ebenfalls nie die Zielsetzung, der Armee der Chrysanthemen eine Chance offenzuhalten. Das Feld mit den goldenen Blumen ist nichts anderes als die eigene Falle des sowieso schon vermauerten Gebäudes. Hat ernsthaft jemand daran geglaubt, dass die Leute da durchmaschieren und die Kaiserarmee stilvoll wegmetzeln? Das ganze ist ein Atemzug, ein für mich trotzdem gewaltiger, denn das Blut ist ein Mittel der Gewaltinszenierung durch Farbe. Beschreibt man dieses Farbenspiel auch ironisch als gewalttätig für die Augen, so spricht das trotzdem wieder für das, was der Regisseur damit erreichen wollte: Man fühlt sich eingeengt, beunruhigt, mit jedem Schritt betrogen und mit verfaultem Prunk überschüttet. Da hat man nunmal die Gefühlswelt der Kaiserin auf dem Tablett serviert. Dass niemand seinen Palast so einrichten würde, ist mehr als verständlich, aber vollkommen kreuzs*****egal.
Am offensichtlichsten ist die Entlarvung als Theaterstück in dem Moment, als das Palastpersonal die Leichen wegschafft und den Boden mit neuen Blumen überdeckt. Das ist nichts anderes als ein Bühnen- oder Hintergrundwechsel. Nur eben der Vorhang fehlt.
Hat wirklich jemand geglaubt, die Macher hätten das Set so gestaltet, ohne nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein, dass das bei Spielberg und Co. nicht so aussieht?
Zu allerletzt noch ein Wort an die, die sich da visuell nicht zurecht finden konnten und die Schauspielerei als flach empfunden haben: Erinnern Sie sich bitte nochmal daran, dass wir hier eine unendlich alte Geschichte vor uns haben, die auf Ebene eines Theaterstücks aufgearbeitet wurde. Wichtig ist vor allem - für das kulturelle Verständnis - die Sprache. Die Worte und die Wortwahl und die Dialoge. Die sollte man sich eigentlich im Original anhören, was für uns Westeuropäer natürlich nicht ohne weiteres möglich ist. Die Sprache ist jedoch das, was einem bei diesem bewusst gewählten Bühnenbild am wichtigsten sein muss. Und die Sprache ist auch das, was den Kern jeder Kultur ausmacht. Die Menschen fügen sich ihrer Grammatik, ihren Zungenbewegungen und Sprichwörtern, sowie ihren sprachlich bedingten Mentalitäten und ein- zwei- und dreideutig formulierten Ideen.
Dass da aber niemand drauf geachtet hat, Weltbild, Philosophie und Resignation in Wort und Laut etwas gewichtiger zu behandeln, zeigt, dass für derlei kulturell geprägte Filme sich hier kein Zuschauer findet. Die waren nämlich alle in der Oper... Schade aber auch...
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06.08.2008
Vorab sei schon gesagt, - und das, ohne etwas vorweg nehmen zu wollen - , dass die Beschreibung der Handlung oder auch der dargestellte Plot missverständlich formuliert sind. Hier eine entsprechende "Falschaussage":
Als die FBI-Agenten Elizabeth Anderson (Julia Ormond) und Sam Hallaway (Bill Pullman) in Captain Billings Büro eintreffen, müssen sie bei ihren Ermittlungen zu einer brutalen Mordserie drei widersprüchliche Storys gegeneinander abwägen.
Ein fanatischer Cop, eine zugedröhnte Kokserin und ein achtjähriges Mädchen waren Zeugen eines Massakers auf der Landstraße. Doch als die Beamten nachhaken, entdecken sie immer mehr Details, die nicht zusammenpassen wollen: Offenbar haben die Zeugen ihre Falschaussagen sorgfältig einstudiert - und die Suche nach "der Wahrheit" birgt ein hohes Risiko ?
>>> Also, was stimmt daran nicht?
In erster Linie widersprechen sich die Aussagen der oben genannten Zeugen nicht wirklich. Der Großteil der Schilderungen sind Rahmenerlebnisse, die die Begegnungen mit den jeweiligen anderen zwar schneiden, aber nicht relevant sind für etwaige Ermittlungsergebnisse. Die beiden mehr oder weniger erwachsenen Zeugen polstern ihre Geschichten bloß mit Verschönerungen auf, verschweigen summa summarum ein paar Lines, nen totgefixten Dealer und die Tatsache, dass Polizisten den Leuten die Reifen zerschießen um sie dann, wie sollte es in Amerika anders sein, mit ihren Schießeisen etwas in den Popo zu pieksen. Was letztendlich damit vertuscht werden soll, ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass wir es mit einer Bande ziemlicher Trottel zu tun haben, die einer Explosion kompromissloser Kriminalität auf den Leim gegangen sind.
Die Riege der Trottel setzt sich fort, sobald man die Dorfpolizisten kennenlernt. Die erinnern etwas an die adaptierte Pulp-Fiction Version von Tjure und Snorre, der Chef des Ganzen würde die Wahl zum Mr. Stereotyp 2008 gewinnen und die Sekretärin ist die kaffeekochende Mutter Theresa auf Botox.
Was im Film den Humor ausmacht, ist genau diese Mischung. Insofern hätte ein Michael Moore sowas in Co-Produktion mit Robert Rodriguez durchaus als Feldstudie des echten Walker-Texas-Ranger verkaufen können und ich hätte das für eine köstlich ironische bare Münze genommen. Besonders der Umgang von Agent Hallaway mit Tjure und Snorre ist, was den Dialog angeht, auch ohne besonderes Tempo ein guter trockener Wein und ich musste mehrmals breit schmunzeln. Allerdings fiel mir dann noch rechtzeitig ein, dass ich ja in einem Lynch-Film sitze, also schärfe ich meinen Verstand und verdächtige alles und jeden. Und ohne hier die großen Spoiler an die Wand malen zu wollen: Da ist nichts verschachtelt, versteckt oder gar zu weit gegriffen. Es ist sogar sehr banal und leicht zu durchschauen, was da abläuft. Und so stellt sich schon nach einem Drittel des Films eine Unzufriedenheit ein. Die wird zwar noch etwas unterfüttert, weil man nicht mal das Massaker in seinem vollen Ausmaß gesehen hat, aber selbst das Finale bringt leider kein einziges AHA-Erlebnis.
Das braucht auch keiner... Denn die amerikanischen Thriller-Regisseure (Beispiele Night-Shyamalan, Gary Fleder "Sag kein Wort") haben nämlich den *ironie an* ultimativen Joker, um Filmen die Note von Verfremdung, Verstörung und dramatischer Besonderheit zu geben: Das Kind mit IQ 200 und der taktischen Coolness eines Hold'Em Profis. Dieses achtjährige Mädchen ist die geschrumpfte Clarice Starling, rennt mit nem tragbaren Fernseher durch die Walachei, um die Tagesschau nicht zu verpassen, erkennt bei 80 Meilen pro Stunde, dass Blut unter einem liegengebliebenen Auto durchsickert und pflegt hochsensible Beziehungen zu ihren Mitmenschen. Sie trinkt heißen Kakao mit Marshmallows, nachdem ihre ganze Patchwork Familie zermatscht und durchsiebt wurde und findet dann auch noch die Cleverness zu schwarzem Humor: "Meine Mama sagt immer, ich darf das nicht sehen. Ah... ich meinte natürlich... SIE HAT GESAGT..." Desweiteren riecht das Kind Affären und Liebeleien auf 10 km gegen den Wind und labt sich an der Gunst der Killer, die sie schon entlarvt und als zurechnungsfähig eingestuft hat.
Mal ehrlich: Wenn mein Kind das mit acht Jahren könnte, bzw. wenn auch nur die Anzahl der in Thrillern mitspielenden Kinder mit diesem geistigen Format wirklich existieren würde, wäre Sponge Bob neben Malibu Stacey im Akt verstaubt und jede Wasserpistole würde als gewaltverherrlichend im Puppenhaus liegen gelassen - vom Kind selbst, nicht vom Schmalspurpädagogen.
Mittlerweile ärgert es mich wirklich, wie überzogen Kinder in solchen "Psycho"-Thrillern eingesetzt werden. Ich sehe niemanden schreien, ich sehe keine Apathie, ich sehe nichts, was entfernt an quälende, quengelnde Realblagen erinnert. Sowas macht jeden Film, der eigentlich darauf bedacht ist, Panik zu schaffen und zu schockieren, unheimlich unglaubwürdig. Denn wenn dieser Film das nicht tun soll, dann versteh ich die Intention der Schöpferin nicht wirklich. Es sei denn, sie hat versucht, den Titel, ob nun deutsch oder englisch, thematisch umzusetzen. Und dann auch noch so, als hätte der Herr Vater als Lehrmeister ein paar Notizen von Dingen gemacht, die in jeden amerikanischen Film reinmüssen. Denn Unter Kontrolle oder Surveillance sagen schon alles, bevor man den Titel des Films im Kinosaal gesehen hat. Allein das ist es, was den Film beständig macht.
Das wirklich widersprüchliche ist der Effekt, den der Film erzielen will. Wenn es der Spannungsaufbau ist, entweicht die Luft wie ein feuchter Furz durch das viel zu flache, übertriebene und doch durchsichtige Ende. Wenn es die Gesellschaftskritik ist, hält Frau Lynch wohl jeden, der nicht ein psychopathischer Killer ist, für absolut grottendoof und Kinder für die Rettung der Intelligenz. Selbst dann, wenn der Vadder n Macho und die Mudder ne beschwipste Staaten-Thomalla ist. Wenn es der Schockeffekt ist, hat sie zumindest Julia Ormond völlig fehlbesetzt. Denn der kauft man bloß die sentimentale FBI Agentin ab, allerdings nichts, was danach kommt. Die ist zum Kakao holen gerade noch annehmbar. Hätte man wirklich schockieren wollen, müsste, so böse es klingt, das Kind in alle Einzelteile zerlegt werden. Denn dass ein paar Trottel den bösen Sadisten auf den Leim gehen, hatten wir in der letzten Zeit schon genug.
Alles in allem kann man sich fragen, wieso ich zu einem von mir so verballerten Film noch so viel schreibe:
Ich hatte wirklich eine Hoffnung. Eine Hoffnung, mal wieder an der Nase herumgeführt zu werden. Wie in "Sieben". Oder vielleicht mal wieder auf ein neues Weltbild zu stoßen, mich am Chaos zu laben wie in "Fight Club". Lynchs Tochter scheint mir aber hier eher eine Ode an die Naivität abgegeben zu haben. Ob die Naivität auf Seiten des Zuschauers liegen SOLL oder ganz einfach nur den Spannungsbogen betrifft, weiß ich leider nicht.
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10.03.2008
Wie gut, dass man eine Freundin hat, die sich jeden potentiell interessanten Film auch mit einem zusammen ansieht. Da kann man auf dem Heimweg gediegen alles nochmal beleuchten, sogar aus immerhin 2 Blickwinkeln.
Da hier noch keiner außer dem Herrn Redakteur (he) etwas vorangeschickt hat, konnten wir uns das auch recht unbelastet zu Gemüte führen. Nachdem wir also im Burger King nochmal sichergestellt haben, dass im Film auch wirklich nicht gesungen wird, konnten wir schon alsbald den Ausblick auf den Handlungsort genießen. Und genießen sollte eigentlich groß geschrieben werden. Denn Salamanca in Spanien ist ein wirklicher GENUSS für das Auge. Vom Kamerateam grandios in Szene gesetzt, ist der Handlungsort durchgehend ein absoluter Atmosphäre-Flash. Dazu agieren Statisten und allerlei Setting zusammen als absolut glaubwürdiges Szenario. Daumen hoch für das Spielfeld.
Kommen wir zur Handlung. Ohne großartig was vorweg nehmen zu wollen: Ja, es sind Terroristen und ja, sie haben auch Pistolen und ja, sie haben ihr Equipment durch Ölreserven finanziert. Aber was ich leider sagen muss: Nein, so schlau sind sie jetzt nun auch wieder nicht. Was den Gegenspielern der Amerikaner aber an innovativen Tricks fehlt, machen sie durch... wie soll man es nennen... übermächtig übernatürliche Kontakte wieder wett. Und durch ein gehöriges Maß an Geradlinigkeit, die durch das Chaos auf den Straßen und Plätzen herrlich kaschiert wird. Für die (doch sehr solide spielenden) Terroristen gilt: Was nicht passt, wird passend gemacht. Man erpresst sich einen Killer im Navy-Seal Format in die Truppe, man kauft sich einen Spitzel in Führungsposition, man positioniert einen fanatischen Bumm-Bumm Läufer in der besten Absteige der Stadt und man platziert hochtechnisches Spielzeug an den best-bewachten Orten des Schauplatzes. Wahnsinnsleistung, das muss ich zugeben ;-D
Kommen wir noch schnell zu den Highlights des Films. Das Konzept an sich geht auf, was aber nichts mit Dramaturgie zu tun hat, wie Redakteur (he) meint, sondern damit, dass dem Zuschauer häppchenweise Informationen auf die Nachos geschmissen werden, die ihn auch nicht schlauer machen, als er sowieso schon ist. Wenn die Bombe hochgeht, fehlt schließlich Horatio Caine, der sich den Staub aus dem Schritt klopft und die DNS aus dem Ohr des Opfers lutscht. Das Schema der Cop vs. Killer Thriller ist weit von dem entfernt, was uns "8 Blickwinkel" zeigen will und Dramaturgie entsteht durch Szenarios wie Chaos und rennende Menschen, nicht durch systematische Schnitte in der Storyline.
Aber zurück zum eigentlichen:
Famos in diesem Film ist nicht, wie oben angekündigt, Sigourney Weaver -obwohl ihr die Rolle gut zu Gesicht steht-, sondern Forest Whitaker. Unser Karl Dall aus Sansibar (nicht Sylt) morphiert im Laufe des Geschehens zum neuen Jason Bourne. Dabei ist er so unbeholfen und doch so durch und durch besonnen, dass zumindest sein Part wesentlich sympathischer wirkt als Dennis Quaids paranoider Rush Hour Rambo. Auch der spanische Polizist Enrique, gespielt von Eduardo Noriego, bringt ein gehöriges Maß an Underdog-Sympathie mit ins Getümmel. Er pendelt zwischen Zerrissenheit, Panik, Routine und Korruption und bildet letztendlich den Faden, der Schritt um Schritt einleitet. So langsam hat nämlich auch der Letzte geschnallt, dass die Amerikaner, samt der amerikanischen Schauspielweise, außer Sprüchen, Gefluche und dem fehlenden Schritt, zu praktischer veranlagten Genossen aufzuschließen, nichts vorzuweisen haben. In diesem Fall muss ich dem Film trotz des Endes mit Pathos und Tralala ein Kompliment aussprechen, denn das Augenzwinkern zu den Herrschaften Ethan Hunt, Spider-Man und Robert Gates ist so traumhaft offensichtlich, dass auch Salamancas gesprengte Gassen der fehlenden Wand im Pentagon nur lächelnd zuwinken können.
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27.02.2008
Letzte Woche noch hat mir eine bekennende Johnny-Depp-Stalkerin mit einer Woge aus Resignation offenbart, dass sie dieses Mal einen Bogen um ihren Helden machen wird. Ein singender Schatten Kapitän Sparrows solle nicht ihre Illusion des perfekten Mannes zerstören.
Mal davon abgesehen, dass auch Käpt'n Jack eher blass neben den Chippendales aussehen würde, so war ich dieses Mal besonders gespannt auf die gesanglichen Leistungen aller Darsteller. Dabei kommen Depp, Bonham Carter, Campbell Bower (Seemann Anthony) und Wisener (Todds Tochter Johanna) noch sehr gut weg, wobei die letzteren beiden noch umso beeindruckender sind. Deren Liebesgeschichte ist auf ihre bescheidene Art sogar noch ein sehr sympathischer Bonus gegenüber dem Kaliber, was Tim Burtons Kader eigentlich versprechen sollte.
Dass Johnny Depp und kein anderer für diese Rolle in Frage kommt, ist eigentlich schon eine abgehandelte Sache. Legt man das Profil seiner Rollen aus Sleepy Hollow, From Hell und Edward m.d.S. übereinander, kann man ohne weiteres vier identische Scherenschnitte mitsamt des aktuellen Films herstellen. Gesanglich finde ich ihn auch überraschend gut, zumal seine Stimme sich im Original ganz gut mit seiner deutschen Synchronisation deckt.
Helena Bonham Carter spielt solide und bleibt ihrer Linie mit Schwerpunkt "kaputtes Weib mit dem Charme eines Fallobststillebens" treu.
Ihre beiden Gegenspieler Rickman und Spall dagegen stagnieren in ihrer Rentenvorsorge der Harry-Potter-Vermarktung. Rickman obliegt ja sowieso der Fluch, nur schwer als Sympathieträger Meter gut zu machen, allerdings ist der Unterschied in der Mimik zu Prof. Snape verschwindend gering und der Gesang verlangt ihm so viel ab, dass er in eine fast monotone Trance verfällt, die sich dann auch leider auf den Zwist mit Sweeney überträgt.
Spall hätte, böse formuliert, auch während der Dreharbeiten sterben können, man hätte die fehlenden Szenen mühelos mit "Wormtail"-Ausschnitten wieder auffüllen können.
Alles in allem hält sich der Film wacker. Zumindest oberhalb des Preises, den man (besserenfalls am Kinotag) an Eintritt bezahlt. Vielleicht wäre es noch ein Stück besser gegangen, wenn man das Drama der Handlung weniger ernst genommen hätte und, im Rahmen des sowieso schon sehr kleinen Sets, die eine oder andere Choreografie zur Auflockerung entwickelt hätte. Denn bis zum Musical fehlt einiges an Showtainment und Dynamik. Somit hat sich niemand ein Bein gebrochen und die Gage flattert unbemerkt unter der Tür der Beteiligten hindurch.
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Start: 17.10.2024
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Sieben Spitzenprämien-Gewinner
Kinoprogrammpreis-Verleihung in der Wolkenburg – Foyer 11/23
Kino galore
European Arthouse Cinema Day 2023 – Festival 11/23
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Stefan Gorski über „Ein ganzes Leben“ – Roter Teppich 11/23
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NRW-Premiere „Die Mittagsfrau“ im Kölner Cinenova – Foyer 10/23